Frauentragen – ein Brauch im Advent
Text: Elisabeth Mayrhofer Fotos: Manfred Neubauer, Elisabeth Mayrhofer
Vielleicht geht’s Ihnen auch so wie mir: Zu den prägenden Kindheitserinnerungen des Advent gehören nicht nur der Adventkranz, der Duft von Tannenzweigen, Plätzerl und Kerzen, die Türchen im Adventskalender, sondern vor allem das heimelige Zusammensein am Abend mit Geschichten erzählen oder vorlesen. Wir Kinder durften täglich einen Strohhalm in das leere Kripperl legen, so dass das fast lebensgroße Fatschen-Christkindl an Weihnachten weich drin liegen konnte, und dann gab es eine Geschichte.
Eine hat mich immer besonders gerührt und bewegt: Die Herbergsucher von Wilhelm Hünermann (1900–1975). Darin spielt der früher weit verbreitete Brauch des Frauentragens eine zentrale Rolle, wobei ein kleines mutiges Mädchen ausgerechnet bei einem von allen ausgegrenzten und sonst immer übergangenen Nachbarn anklopft und ihn um Herberge für das Bildnis von Maria und Josef bittet. Wider Erwarten weist der mürrische Mann sie nicht ab, sondern öffnet seine Tür und findet durch dieses Erlebnis schließlich in die Dorfgemeinschaft zurück.
Erzählung als Anregung für einen Brauch
Diese Geschichte hat mich immer sehr angerührt. Als wir dann selber Kinder hatten, kam sie mir immer wieder in den Sinn. Schließlich hat es sich in Gesprächen und im Zusammenwirken mit unserem damaligen Pfarrer Josef Schinagl (*1936) und dem ehemaligen Lehrer Rudolf Baumgartl (1928–2021) ergeben, dass der einst lange gepflegte Brauch des Frauentragens in unserer Pfarrgemeinde St. Josef der Arbeiter in Waldram (Wolfratshausen) 1991 wieder aufgegriffen wurde und seitdem weiterbesteht.
Es war ein ganz besonderes Erlebnis, als wir uns zum ersten Mal mit unseren drei Buben auf den Weg durch das abendliche Waldram gemacht haben. Die eher herbe Darstellung der Gottesmutter hatte uns eine Freundin extra für diesen neu belebten Brauch modelliert und gekleidet. Wir trugen sie behutsam, die Kinder durften mit Kerzen und Laternen leuchten.
Herbergsuche eines besonderen Gastes
Angeregt von dem wohl berühmtesten Nebensatzes des Lukasevangeliums (Lk 2,7) »… weil in der Herberge kein Platz für sie war« hat sich vor allem in Oberbayern und Österreich eine ganz besondere Tradition erhalten: im Advent wird ein Marienbild oder eine Marien-Figur ohne Kind von Haus zu Haus getragen.
Symbolisch bittet man um Herberge für Maria, die ihr Kind Jesus, noch verborgen in ihrem Leib, durch die Straßen zu den Menschen trägt. So können wir anstelle der groben Abweisung, wie sie oft drastisch in den Herbergspielen oder Liedern den Bethlehemitern unterstellt wird, unsere Tür öffnen und den Messias einlassen in unsere Häuser und Wohnungen. Damit nehmen wir die froh machende Botschaft und die erlösenden Gedanken, die durch Jesus damals wie heute verkündet werden, auch in unser Leben auf.
Der besondere Gast bleibt für eine Nacht und einen Tag im jeweiligen Haus, dann wird die Figur an eine andere Familie weitergegeben... weiterlesen.