UNESCO Weltkulturerbe:
Die Fasnacht in Basel
Auch in der Schweiz hat die Fasnacht große Bedeutung, zumindest in den katholischen Gebieten – und an einem einzigen Ort reformierter Prägung, der Stadt Basel. Hier treffen althergebrachte Bräuche auf neuere karnevaleske Formen.
Text: Markus Brülisauer Fotos: Kanton Basel-Stadt, zvg
Montagmorgen nach Aschermittwoch, kurz vor vier Uhr in der Basler Innenstadt. Die rund 200 Cliquen, bestehend aus Pfeifern (Piccolo-Spielern) und Tambouren (Trommlern) stehen für den Morgenstraich bereit. Noch ist es mucksmäuschenstill. Die Stadtverwaltung hat die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, kein Schaufenster ist hell, in den Häusern ist es stockdunkel. Und dennoch leuchtet es in den Gassen in allen Farben. Denn jede Clique führt eine sogenannte Laterne mit sich. Mehrere Meter hoch, erinnern diese an hinterleuchtete Kirchenfenster mit kunstvollen Glasmalereien, mit dem Unterschied, dass die Bilder politische und gesellschaftliche Themen des vergangenen Jahres satirisch darstellen. Die Mitglieder der jeweiligen Cliquen tragen auf dem Kopf eine Laterne im Kleinformat, die der großen nachempfunden ist. Daran sind sie erkennbar. Denn sie tragen kein einheitliches Kostüm, sondern sind individuell verkleidet. Charivari, das heißt Durcheinander, Wirrwarr, wird diese offene Kleiderordnung genannt.
Nun schlägt es von der Martinskirche vier Uhr – und jetzt bricht der Jubel aus, die drey scheenschte Dääg beginnen. »Morgestraich, vorwärts, Marsch!«, rufen die Tambourmajore, welche die Cliquen anführen. Zeitgleich setzen sich die Cliquen in Bewegung, voraus der sogenannte Vortrab, einige Mitglieder, die der Clique den Weg freimachen. Es folgen die Laterne, der Tambourmajor, die Pfeifer und die Tambouren. Der Tradition entsprechend, spielen sie den Morgestraich-Marsch von Karl Schell (1864–1936). Ein Marsch übrigens, der nur bei dieser Gelegenheit intoniert wird. So beginnt die größte Fasnacht der Schweiz, die zugleich die einzige protestantische weltweit ist.
Die Pfeifer und die Tambouren spielen das ganze Repertoire ihrer Clique auswendig. Es besteht aus rund 35 traditionellen Fasnachtsmärschen, wobei auch einige modernere, swingige Titel darunter sein können. Das Repertoire wird über die drei Fasnachtstage im Turnus gespielt. Die Tambouren beginnen jeweils die Stücke, selbstverständlich ausschließlich auf der Basler Trommel, einer seilgespannten Zweifell-Rühr-Trommel mit stark gespanntem Fell, das einen hellklingenden Ton ermöglicht. An der Fasnacht wird in erster Linie die Werktagstrommel aus Aluminium verwendet, an feierlichen Anlässen die Festtagstrommel aus Holz, von denen viele bemalt sind. Die Pfeifer spielen die meisten Stücke dreistimmig zu den Begleitrhythmen der Tambouren, welche auch die Pausen zwischen den einzelnen Stücken ausfüllen. Nach dem Morgestraich begibt sich die Clique in den Cliquenkeller, so heißt das Vereinslokal, oder in ein Restaurant. Man stärkt sich mit deftiger Mehlsuppe und/oder Zwiebelwähe. Ab Montagabend sind die Laternen übrigens auf dem Münsterplatz ausgestellt.
Am Cortège
Am Montag- und am Mittwochnachmittag findet jeweils der sogenannte Cortège (franz. Umzug) statt, an dem über 500 Gruppen mit insgesamt 11.000 Teilnehmern mitmarschieren. Neben den Cliquen nehmen traditionelle Figurengruppen daran teil wie die Waggis (Spottname für Elsässer). Sie treten zu Fuß oder in größeren Wagencliquen auf. Die alti Dante (alte Tante) im Biedermeier-Kostüm fährt in der Chaise (Kutsche, Landauer) vor. Mit von der Partie sind auch der Bläzzlibajass (dem Bajazzo aus der Comedia dell’arte nachempfunden), der Ueli (Ulrich), der vom mittelalterlichen Hofnarren abgeleitet ist, oder der Dummpeter im Rokoko-Habit. Die Zuschauer am Straßenrand werden mit Blumen beschenkt, traditionellerweise mit Mimosen, zudem mit Orangen oder Süßigkeiten und selbstverständlich folgt eine Handvoll Räppli (Konfetti) hintendrein. Neben diesen traditionellen Figuren gibt es viele moderne – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Was auffällt, ist, dass die Masken alle ein heiteres, freundliches Gesicht haben, im Gegensatz zum Beispiel zur Fasnacht in Luzern, wo furchterregende Monsterfratzen dominieren.
Die Tambouren und die Pfeifer der Clique sind am Cortège einheitlich kostümiert und führen ein sogenanntes Requisit mit sich. Das kann zum Beispiel ein dekorierter Handwagen sein, der das Thema, Sujet genannt, darstellt. Dazu werden Zeedel (Handzettel) verteilt, auf welchen das Sujet in Basler Dialekt satirisch beschrieben wird.
Der Dienstag gehört den Binggis, den Kindern, die sich in ihren eigenen Umzügen präsentieren. Viele von ihnen nehmen in Kleingruppen mit den Eltern teil und führen einen fasnächtlich gestalteten Handwagen mit sich, aus dem sie die Zuschauer am Straßenrand mit Räppli bewerfen und Dääfeli (Täfelchen = Bonbons) verteilen sowie ihre selbstgemachten Zeedel.
Guggen – die hohe Kunst falsch gespielter Blasmusik
Am Dienstag haben auch die Guggen ihren großen Auftritt. Guggen sind Blasmusikformationen mit bis zu rund vierzig Mitspielern. Der Fasnacht entsprechend, spielen sie absichtlich falsch und schräg – und krachend laut. Daher der Name Gugge, was in etwa herumtuten bedeutet. Die Guggen sind in der Wahl der Stücke frei, ihr Repertoire besteht aus Titeln der Rock- und Popmusik, die eine oder andere Ballade darf dabei sein oder auch Volkslieder. Um 18.30 Uhr starten sie auf dem Messeplatz, wo ihr Sternmarsch beginnt, später folgen da und dort Platzkonzerte. Die Pfeifer und die Tambouren ziehen sich in dieser Zeit in die Altstadt zurück.