»Und dann deck’ ma die kleinen Fussi zu«

»Und dann deck’ ma die kleinen Fussi zu«

 

Wenn Schlaf- und Wiegenlieder einfach spontan entstehen

Text: Evi Heigl Fotos: Evi Heigl, United ­Archives GmbH / Alamy Stock Photo

Stöbert man in der Kinderabteilung von Buchhandlungen nach Sammlungen mit Wiegen- und Einschlafliedern, so bietet sich hier eine große Auswahl. Man taucht ein in die Welt der überwiegend in Blautönen gehaltenen Sternchen-​Mond-​Schäfchen – Illustrationen und trifft auf Kompendien mit Titeln wie Meine schönsten Schlaflieder und ähnliches. Und tatsächlich ist in diesen Sammlungen viel Schönes dabei und haben sich viele der darin enthaltenen Lieder über Jahrzehnte hinweg als Beruhigungsmittel und Einschlafhilfen bewährt.

Bemerkenswert ist allerdings auch, was abseits dieser größtenteils bekannten Lieder in den heimischen Kinderzimmern, Schlafzimmern, Küchen und auf Wickeltischen so alles spontan an musikalischen Äußerungen für die Allerkleinsten passiert, aber nie an die Öffentlichkeit gelangt.

Abends will ich schlafen geh’n …

Als meine Tochter noch klein war, freute sie sich jeden Abend auf die Zeremonie am Bettrand: Erst kam die vorgelesene Gute-​Nacht-​Geschichte dran und anschließend das für sie beruhigende Singen eines einlullenden Schlaflieds. Sie liebte natürlich das allseits bekannte Weißt du, wieviel Sternlein stehen oder auch den Filmmusikklassiker La-​Le-​Lu von Heino Gaze. Etwas herausfordernder für mich war da schon ihr Favorit Abends will ich schlafen geh’n in der Fassung aus Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel – gar nicht so einfach zu singen! Gerne mochte sie auch Leise sinkt der Abend nieder, eigentlich ein geistliches Volkslied, das meine Mutter mir schon gesungen hatte, als ich klein war und deswegen bei mir mit besonderen Erinnerungen verbunden ist.

Von der Intuition inspiriert

Oft aber entstanden kleine Gesänge spontan aus den unterschiedlichsten Situationen heraus: beim Wickeln, bei der Baby-​Massage, um die Wartezeit auf dem Töpfchen zu überbrücken oder natürlich um das Kleine ganz einfach zu beruhigen. Zum Glück war ich persönlich selten damit konfrontiert, aber ab und zu kam’s halt doch vor: Das Kindl bekommt einen Schreikrampf und ist selbst an der Brust nicht zu beruhigen. Da greift man dann intuitiv nicht auf die Sternlein oder Der Mond ist aufgegangen zurück, sondern summt in seiner Not spontan irgendetwas, das zu dem Rhythmus passt, in dem man gerade – das Kind auf dem Arm – hopsend seine Runden durchs Wohnzimmer dreht. Es ist immer wieder erstaunlich, wie effektiv diese Summ-​Schaukel-​Kombinationen im Endeffekt sind und wie sie meist wirklich zur Beruhigung des Babys führen.

Intim und individuell

Da ich dazu neige, Gedanken, Ideen und eben auch spontane Liedeinfälle aufzuschreiben, hab ich damals zum Glück einige dieser intuitiven Gesänge nebst Wortschöpfungen in einem kleinen Büchlein notiert. Wenn ich heute darin blättere, muss ich lachen, bisweilen staunen oder bin gar zu Tränen gerührt. An Vieles kann ich mich noch unglaublich gut erinnern.

Manche Texte sind so verrückt, so absurd, von lautmalerischen Kuriositäten durchsetzt, dass ich sie hier nie würde veröffentlichen wollen. Abgesehen davon sind das ja auch intime und individuelle Schöpfungen, die wirklich nur das Kind und die singende Person etwas angehen. Andere wiederum sind wirklich süß geworden, so dass ich es gewagt habe, sie mit Illustrationen versehen meinen Geschwistern oder befreundeten Familien zur Geburt eines Kindes zu verehren.

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