Legendäre Beispiele aus der Oberpfalz
Text: Florian Schwemin Fotos: Sammlungen Heimatverein Eschenbach, Bezirk Oberpfalz, Sebastian Gietl und Florian Schwemin
Der kürzeste Musikerwitz der Welt? Gehen zwei Musiker an einem Wirtshaus vorbei. In der Welt der Musik gibt es viele auch sprichwörtliche Paarungen. Mit Pauken und Trompeten mit Harfen und Zimbel. Aber kaum eine Paarung ist so eng verbunden wie Musik und Wirtshaus. Das organisierte Wirtshaussingen oder -musizieren ist eine gern gewählte Veranstaltungsform im Rahmen der Volksmusikpflege, der es vor allem um die Beteiligung der Menschen geht. Musikantenstammtische wären ohne Wirtshäuser recht aufgeschmissen und auch eher konzertante Veranstaltungen finden – nicht zuletzt, wenn sie im Fernsehen übertragen werden – gerne in Wirtshäusern statt. Dass die Aktion Musikantenfreundliches Wirtshaus nun auch vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat mitgetragen wird ist gewissermaßen das i-Tüpfelchen, die Schaumkrone auf dem Seidla, welche die enge Verbundenheit von Wirtshaus und Musikanten auch staatlich sanktioniert.
Die Situation der letzten Monate war für Musikanten, die nicht das Glück hatten, eine Familienmusik daheim zu haben eine lange Durststrecke – im wahrsten Wortsinn, waren sie doch oft von ihrer musikalischen Wirkungsstätte ausgesperrt. Noch schlimmer aber war die Zeit für die Wirte.
Der Wirt: Hausherr und Gastgeber
Wenn im Rahmen von Volksmusik vom Wirtshaus die Rede ist, so steht dabei vor allem das Haus im Vordergrund, der Raum, in dem Musik, Gesang und Tanz stattfinden. Diese wiederum sind in verschiedene situativ gebundene Kontexte eingebunden, die von Brauchveranstaltungen von Fasching bis Hochzeit über Stammtische bis zu organisierten oder spontanen Veranstaltungen der Volksmusikpflege reichen.
An dieser Stelle wollen wir uns aber dem ersten Wortbestandteil des Kompositums »Wirtshaus« widmen – dem Wirt. Im Registerband der Sänger- und Musikantenzeitung der Jahrgänge 1 bis 25 finden sich unter dem Schlagwort »Wirt« immerhin 29 Einträge, 46 zum »Wirtshaus«, dagegen nur 22 zum Thema »Blasmusik«, 32 zur »Blaskapelle«. Der Wirt scheint also für die Volksmusik ähnlich wichtig zu sein, wie die Blasmusik. Wirt und Musik soll also unser Paar sein, das zusammengehört.
Auf die komplexe Kulturgeschichte dieses Berufs, der sich seit dem Mittelalter immer weiter ausdifferenziert und spezialisiert hat kann hier nicht eingegangen werden, für die folgenden Anmerkungen sind aber zwei Spezifika besonders wichtig: zum einen ist der Wirt als Hausherr und Gastgeber ein Mensch, der Reisenden Obdach gewährt, wohl die älteste Funktion. Zum anderen entwickelte sich der Wirt mit der Frühen Neuzeit zum zentralen Vermittler von Informationen und Meinungen am Ort. Gerade dörfliche Wirtshäuser wurden analog zu den Salons und Kaffeehäusern der großen Städte zu den Zentren der politischen Bildung und der soziale Mittelpunkt des Dorfes.
Beständigkeit wird groß geschrieben
Wirte und Musik verbindet das gleiche Paradoxon: Sie sind auf der einen Seite höchstmobil und können weitgereist sein, auf der anderen Seite stehen sie oft für Tradition und Kontinuität. Ansässigkeitsmachungen und Verehelichungen über die Jahrhunderte zeigen, dass sich auch in der Oberpfalz seit dem 18. Jahrhundert beispielsweise Wirtsfamilien aus dem Elsass, aus Italien oder aus Österreich niederließen, andererseits sind gerade Dorfwirtschaften oft über mehrere Generationen im Familienbesitz und können nur durch die Mitwirkung aller Familienmitglieder wirtschaftlich betrieben werden.
Oft war der Wirt nicht nur Wirt, sondern übte nebenbei noch andere Berufe aus. Gerade in ländlichen Gegenden, in Städten und Märkten, wo die meisten Einwohner, egal welcher Profession sie nachgingen, Ackerbürger waren, war das die Regel, nicht die Ausnahme. Naheliegend waren Berufskombinationen mit Handwerken wie Metzger, Brauer oder, ganz allgemein, Landwirt, die in der lange Zeit recht bargeldlosen ländlichen Gesellschaft die Basis für die Versorgung der Gäste ermöglichten. Gerade mit der Gewerbefreiheit ab 1868 bildeten sich die verschiedensten Kombinationen heraus.
Neben Wurst, Brot und Bier braucht ein Wirtshaus eine weitere Ressource um Erfolg zu haben: Unterhaltung. Bis in die 1960er Jahre, als auch in den Dorfwirtshäusern Music-Boxen Einzug fanden, war diese zumeist handgemacht, auch wenn sich Grammophone und Musikautomaten schon früh auch auf dem Land finden. Für größere Veranstaltungen wurden Musikgruppen organisiert, und Wandermusikanten trugen ihr Übriges zum Unterhaltungsprogramm bei. In den 1920er Jahren werben Gasthäuser in der Oberpfalz mit fließendem Wasser, Autostellboxen, Rundfunkempfangsstation und Klavier im Saal.
Musizierende Wirte
Daneben entwickelten sich aber die musizierenden Wirte, Wirte also, die selber in der Lage waren, ihre Gäste nicht nur mit Geschichten und Neuigkeiten, sondern auch mit Liedern und Stücken zu unterhalten. Ein paar Wirte, die im Nebenberuf auch Musikanten waren, sollen im Folgenden vorgestellt werden. Tiefere Forschungen zu Repertoire, Musizierpraxis in größerem Maßstab stehen noch aus, diese Beispiele aus der Oberpfalz sollen einen Anstoß liefern, hier weiter einzusteigen.