Eine Bereicherung für das Repertoire auf der Steirischen Harmonika
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Text: Johannes Sift Foto: Philipp Bromberger
Der Großteil des Repertoires für die Steirische Harmonika stammt ursprünglich entweder von Tanzmelodien des 19. und 20. Jahrhunderts ab oder ist im Stil diesen nachempfunden bzw. weiterentwickelt worden. Tänze und Gattungs-Bezeichnungen wie Walzer, Polka und Boarischer sind heute unter Harmonika-Spielern sehr geläufig. Ab und zu findet man noch einen Landler oder Ländler, der im 19. Jahrhundert ein regelrechter Modetanz war, aber heute etwas zu Unrecht Gefahr läuft, in Vergessenheit zu geraten. Ähnlich verhält es sich beispielsweise auch mit Mazurka, Schottisch oder Polonaise. Sind diese Bezeichnungen den einen oder anderen Musikanten zwar noch irgendwie bekannt, so werden sie doch recht selten gespielt oder neue Stücke mit dieser Bezeichnung und Charakteristik geschrieben.
Dies ist – wie ich finde – schade, denn all die genannten Gattungen sind in ihren Melodien sehr reizvoll und stellen eine Bereicherung des Repertoires dar. Dass sie so in Vergessenheit geraten sind und vernachlässigt wurden, hat seine Gründe. So ist es heute nicht mehr in, Polonaise zu tanzen – einmal abgesehen von Auftanz-Polonaisen am Beginn eines Tanzabends, die jedoch mit den ursprünglichen Polonaisen, die einer großen Polen-Mode und Polen-Begeisterung im 18. Jahrhundert entstammen (vgl. Wascher 2008, o. S.), recht wenig zu tun haben. Zu diesem Tanz im Dreivierteltakt – jedoch mit einer gänzlich anderen Stilistik und Rhythmik wie dem bekannteren Walzer – hat man sich das Tanzen viel freier vorzustellen. Es wurde dazu auf verschiedene Tanzfiguren improvisiert, ähnlich wie beim Landler in seiner nicht-choreographierten Form. Wurde das freie, improvisierte Tanzen bisher von Volkstanzbewegung, Trachtenvereinen und Volksmusikpflege nur kaum erhalten und weitervermittelt, so hat es sich in den letzten Jahren unter anderem das Kulturreferat der Landeshauptstadt München mit Magnus Kaindl zur Aufgabe gemacht, dieses improvisierte Tanzen wieder zu vermitteln und zu etablieren. Wer also wissen und v. a. auch selber erfahren möchte, wie man auf Landler, Ländler, Wickler, Polonaise usw. tanzen kann, sei herzlich eingeladen zu den Fortbildungsangeboten und Tanzabenden des Kulturreferats eingeladen.
Für Musikanten stellt sich ausgehend davon die Frage: Wie ist nun eine Polonaise zu spielen? Da die Tanzschritte einfach sind (man setzt auf jede Viertel des Taktes abwechselnd Schritte links und rechts), wird die Melodie gleichmäßig und auf den Taktschlag genau verteilt – ohne Verzögerung, wie sie beispielsweise für einen schwelgenden Walzer wünschenswert ist. Den Polonaisen-Charakter unterstützt noch der Wechsel von verschiedenen Möglichkeiten, die drei Taktschläge im Sinne einer melodiebezogenen Begleitung zu verteilen. Im Notenbild der beiden folgenden Bearbeitungen für Harmonika ist dies in der vom Bearbeiter vorgeschlagenen Bassbegleitung zu erkennen: es finden sich ebenso Takte mit einer Begleitung auf drei Viertel-Schläge wie auch eine Unterteilung dieser in
Achtelnoten-Werte und zeitweilig auch Sechzehntel auf die zweite Achtel.
Ein weiteres Charakteristikum für diese »ältere« Tanzmusik aus dem 18. Jahrhundert ist die Möglichkeit einer Begleitung mittels eines durchgängigen Borduntons (zumeist auf dem Grundton der Tonart, in dem das Stück gespielt wird). Um den Charakter eines Borduninstruments wie Dudelsack oder Drehleier nachzuempfinden, wird auf der Harmonika der Umstand genutzt, dass die Grundbässe und Begleitakkorde beispielsweise der zweiten und dritten Reihe gleich klingen, wenn man Bass und/oder Akkord der zweiten Reihe auf Druck und den der dritten Reihe auf Zug spielt. Einfacher gesagt: B/b auf Druck und C/c auf Zug klingen gleich. Analog dazu auch A/a (Druck) und B/b (Zug) oder C/c (Druck) und F/f (Zug). Wer die Poloneß von Heinrich Nicol Philipp aus der Seibiser Notenhandschrift in meiner Bearbeitung spielt und sich an die Griffschriftnotation hält, versteht, wovon ich spreche. Wie das klingen kann, ist auch auf meiner CD knopfdruck zu hören.
Mit der Bearbeitung dieser beiden Polonaisen, die ich gerne aneinanderhängend spiele, möchte ich eine Lanze dafür brechen, dass man auch auf der Steirischen Harmonika versucht, sich mit altem Notenmaterial zu beschäftigen. Wenn man sich erst einmal in diese Stilistik hineinhört und sich damit beschäftigt, erkennt man, welchen unfassbaren Zauber diese Melodien entfalten, wie vielfältig und reich unsere musikalische Tradition doch ist und dass man auch mit der Steirischen Harmonika diese Klangwelten erkunden und sich mit den zu Unrecht vernachlässigten Aufzeichnungen aus alten Musikantenhandschriften gewinnbringend beschäftigen kann.
Dazu empfohlene Materialien/Fortbildungen:
- CD Johannes Sift, knopfdruck, www.quetschendatschi.de
- Simon Wascher (2008): Poloness und Polsch. 168 Tanz- Melodien aus Mitteleuropäischen Handschriften. www.simonwascher.info
Nächster Fortbildungstag Ländlerisch Tanzen am Sonntag, 15. September 2019, 11 – 17 Uhr in der Echardinger Einkehr, München. Anmeldung unter volkstanz @ muenchen.de