damals für heute
»Schalt des Kastl aus!«
Erfahrungen in der Feldforschung mit Menschen und Aufnahmetechnik
Text: Ernst Schusser
Am Sonntag, 1. August 2021, habe ich am Vormittag beim Autofahren einen einstündigen Radiobeitrag von Prof. Dr. Ursula Hemetek im ORF 1 gehört. Äußerst interessant! Die Autorin ist Institutsleiterin in Wien und hat sich vor allem der Minderheitenforschung in Österreich gewidmet. Das von Prof. Walter Deutsch in den 1960er Jahren gegründete Institut für Volksmusikforschung, an dem so bedeutende, auch in Bayern bekannte Volksmusikforscher wie Gerlinde Haid und Rudi Pietsch ihre Studien betrieben haben, zeichnet sich u. a. durch umfassende Feldforschungen zur Volksmusik verschiedener Regionen aus. Frau Hemetek hat in ihrem Radiobeitrag wesentliche Verhaltensregeln und Grundlagen ihrer Feldforschungen angesprochen wie z. B. den Respekt vor den Gewährspersonen und ihrem Wissen und Können, das wichtige gegenseitige Vertrauen, die gleichwertige Partnerschaft »auf Augenhöhe« zwischen Befragten und Fragern, die emotionalen Besitzverhältnisse bei mündlich tradierten und persönlich geprägten Kulturgütern und die damit verbundenen Gebrauchssituationen. Diese ungeschriebenen Regeln betreffen auch den Umgang mit technisch erstellten Ton- und Bildaufnahmen, weit über die rechtlichen Vorgaben hinaus.
Im Folgenden führe ich aus meiner Erinnerung einige für mich wesentliche Erfahrungen an, die keinesfalls vollständig die Beziehung von Menschen und Aufnahmetechnik bei bewussten Feldforschungen und »teilnehmenden Beobachtungen« darstellen, aber die Situationen bei der Dokumentierung von volksmusikalisch relevanten mündlichen Überlieferungen beleuchten können. Nicht betrachten möchte ich die »Studiosituation«, die vorbereitete Tonaufnahme im Aufnahmeraum oder mit großen transportablen Aufnahmegeräten zur Erstellung hochwertiger Aufnahmen für die Tonträgerproduktion. Ich beziehe mich bei meinen Ausführungen auf meine persönlichen Erlebnisse und Arbeiten seit Mitte der 1970er Jahre.
Die analoge Technik
Anfangs war ich mit einem einfachen Kassettenrekorder mit ganz einfachem Mikrophon unterwegs. Die meisten Gewährspersonen kannten diese Geräte oder hatten selber eins. Damit einher ging ein positiver Impuls durch eine bekannte Technik. Gleichwohl war ich auch mit einem Koffer-Tonbandgerät unterwegs.
Als junger Student lernte ich Ende der 1970er Jahre den Volksmusikforscher Wolfgang A. Mayer vom Institut für Volkskunde (Bayerische Akademie der Wissenschaften, München) kennen, der mit Unterstützung des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege ein bayernweites Volksmusikarchiv aufbaute. Er arbeitete mit einem Uher-Report, das als transportables Reportergerät mit Spulentonbändern sehr strapazierfähig war und bei entsprechender Mikrophonierung sehr gute Tonaufnahmen lieferte. Von meinen Einnahmen als Werkstudent leistete ich mir auch ein solches, gar nicht billiges Gerät. Das Aufstellen von Tonband und Mikrophon war für die meisten Gewährspersonen etwas fremd. Manche fühlten sich geehrt und wertgeschätzt, dass jemand mit dieser Technik zu ihnen kam und ihr Wissen und Können damit dokumentierte. Andere fremdelten mit dieser Aufnahmesituation und waren weniger natürlich. Teilweise vergaßen sie aber nach einer gewissen Zeit das Mikrophon. Besonders wertvoll war das Uher-Report, da es auch unterwegs mit Batterie- und Akkubetrieb einzusetzen war. Das war z. B. bei der Beobachtung von musikalischen Bräuchen besonders hilfreich – oder auch wenn in einer Wohnung kein Stromanschluss vorhanden war. Auch das gab es, und zwar nicht selten. Auch die Befragung im Garten oder Umfragen auf der Straße waren damit gut möglich.
Die digitale Welt
Die digitale Tonaufnahmetechnik verkleinerte die mitzubringende Gerätschaft merklich. Manche »teilnehmende Beobachtung« von Bräuchen oder Veranstaltungen wurde damit sehr erleichtert. Manche Gewährspersonen hatten aber eine Abneigung gegen diese Technik und die damit verbundene leichtere Möglichkeit der Manipulation des Aufgenommenen. Gerade bei den ersten Einsätzen der digitalen Aufnahmegeräte brachte ich nix nach Hause und musste ein zweites Mal um einen Termin bitten: Ich war gewohnt, dass sich das Band drehte und ich eine Kontrolle des Aufgenommenen hinter dem Tonkopf vornehmen konnte. Beim Digitalgerät drehte sich nix, und wenn man nicht die richtigen (kleinen) Tasten drückte, wurde auch nix aufgenommen. Aber mit der Zeit wurde es besser.