Das Lieblingsgwand für jeden Tag
Nina Krankenhagen macht Dirndl: bunt, fröhlich, kreativ – und genau durchdacht
Ein schönes, altes Einfamilienhaus in München-Freimann, ruhiges Wohngebiet, direkt um die Ecke das Bayerische Fernsehen – erstmal deutet nichts darauf hin, dass hier Dirndlgwänder entstehen. Bis man dann auf die Klingel drückt und Nina Krankenhagen die Tür öffnet: in einem farbenfrohen dreiteiligen Trachtengwand. Wunderbar!
Hier gehts zum Dirndlkonfigurator
Text und Interview: Eva Geiger-Haslbeck
Fotos: Nina Krankenhagen, Eva Geiger-Haslbeck
Beim Weg ins Atelier, das unterm Dach liegt, kommt man an einigen Kreationen von Nina Krankenhagen vorbei: Trachtenröcke, Dirndl, ein Umstandskleid sind auf Schneiderpuppen drapiert und sehen gleich auf den ersten Blick richtig gut aus – und: sehr klassisch. Das Krankenhagen-Dirndl, das merkt man gleich, macht keine Sperenzchen hinsichtlich Form und Stoff, sondern will ein Kleidungsstück sein, das man unabhängig von kurzweiligen Modekapriolen tragen kann. Gleichzeitig sind die Kleider in ihrer Funktionalität und Farbenvielfalt sehr modern.
»Tracht ist einfach was Schönes. Ich verbinde Tracht immer mit etwas, das mich glücklich macht – sie ist bunt, fröhlich, steht jeder Frau.« Nina Krankenhagen sitzt in ihrem Atelier am Kaffeetisch. Im Dachgeschoss ihres Elternhauses hat sie Ausstellungsräume und Büro untergebracht. Überall hängen Stücke aus ihrer aktuellen Kollektion: Mieder, Röcke und Schürzen in zwei Längen. Es ist sehr aufgeräumt und sortiert in den hellen Räumen – weshalb die bunten Stoffe der Dirndl noch viel strahlender wirken. »Ich finde, dass das Thema Tracht sich in den letzten Jahren in eine ganz komische Richtung entwickelt hat«, erzählt Nina Krankenhagen. »Insgesamt war mir da zu viel Tüll, zu viel Chi-chi dabei. Natürlich denke ich, dass sich die Tracht auch weiterentwickeln soll, das ist ja klar. Aber trotzdem ist ein Dirndl ein traditionelles, ein klassisches Kleidungsstück.« Ihre Lösung, um Tradition und Moderne unter einen Hut – oder vielmehr in ein Dirndl – zu bringen? Erstmal nachdenken! »Meine Eltern stammen aus Österreich, und bei uns hat Tracht immer eine große Rolle gespielt. Bis heute werden alle Familienfeste – und wir sind eine große, feierwütige Familie – in Tracht gefeiert. Meine Mutter, meine drei Schwestern und ich hatten also immer viele verschiedene Dirndlmodelle im Schrank. Und bei jedem dieser Dirndl gab es etwas, das einem besonders gut gefallen hat – und etwas, das man verbesserungswürdig fand.« Die Form und der Sitz des Mieders, die Länge und der Faltenwurf desRocks, Schnitt und Material im Allgemeinen. »Irgendwann war die Idee geboren, sich mit einer eigenen Trachtenkollektion selbständig zu machen. Und ab da haben wir alles Mögliche zusammengetragen: Jede Frau aus der Familie hat überlegt, was das perfekte Dirndl für sie ausmacht. Und aus der Summe ist dann mit Hilfe einer hervorragenden Schnittmeisterin nach und nach der Schnitt für die Krankenhagen-Dirndl entstanden.«
Das Herz schlägt für die Tracht
Für Nina Krankenhagen war das learning-by-doing: Nach ihrem Tourismus- und BWL-Studium hatte sie mit Schneiderei zunächst wenig am Hut. Aber ihr Herz schlägt nunmal für die Tracht, und auch der Wunsch nach einem eigenen Unternehmen war schon lange da. »Die Idee und der Zeitpunkt haben perfekt gepasst, und ich freue mich wirklich jeden Tag, in mein Atelier zu gehen.« Was gefällt ihr am meisten am Arbeiten mit Tracht? »Ich glaube, es sind die Farben. Diese fröhlichen, bunten Stoffe fehlen meistens in der Alltagsgarderobe, auch bei mir. Und natürlich die vielen kreativen Möglichkeiten. Wir arbeiten mit Stoffen, die nicht immer klassische Trachtenstoffe sind. Aktuell haben wir zum Beispiel einen Rock mit Landschaftsmotiv, oder ganz bunte Drucke, ein strahlendes Gelb – da kann man ein bisschen spielen. Wenn man so einen Rock mit einer ganz klassischen Schürze kombiniert, dann holt man ihn wieder zur Tracht zurück. Das finde ich sehr spannend. Und das ist so, wie ich mir vorstelle, dass sich Tracht weiterentwickelt. Auch in ihrer Alltagstauglichkeit: Der Rock kann ohne Leib und Schürze mit einem Oberteil getragen werden, das Mieder mit einer normalen, langärmligen Bluse im Büro. Viele tragen das Dirndl nicht so oft. Wenn ich aber weiß, dass ich jedes Teil einzeln immer anziehen kann, dann lohnt sich der Kauf schon viel mehr.« Nina Krankenhagen lacht. Zwischen vier- und fünfhundert Euro kostet ein Gwand, kein wahnsinniger Preis für eine Tracht. »Ich wollte ja auch kein Kleidungsstück, das nur bestimmte Leute anspricht. Das fände ich schade. Natürlich sind fünfhundert Euro trotzdem viel Geld, die meisten ziehen sicherlich nicht einfach los und geben das aus. Aber ich denke, für die Qualität ist der Preis absolut gerechtfertigt.«
Ein Dirndl, individuell zusammengestellt
Die Krankenhagen-Dirndl werden von Hand genäht, in einem Familienbetrieb in der Steiermark. Um die 350 Modelle gibt es pro Kollektion. Und wenn die ausverkauft sind? »Dann sind sie ausverkauft. Es ist ja auch schön, wenn einem nicht überall das gleiche Kleid begegnet. Dazu kommen die vielen verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten von Leib, Rock und Schürze. Eigentlich ist jedes unserer Dirndl komplett einzigartig.« Auf ihrer Homepage hat Nina Krankenhagen dafür einen Dirndl-Konfigurator: Alle Modelle der aktuellen Kollektion können virtuell miteinander gemixt werden, bis man das Lieblingsgwand gefunden hat. »Das macht wirklich sehr viel Spaß und wird gerne von meinen Kundinnen genutzt. Trotzdem kommen viele auch gerne in mein Atelier oder zu einem meiner Pop-Up-Stores und probieren sich durch die aktuellen Modelle, bis sie ihre Kombination gefunden haben.« Einen eigenen Laden hat Krankenhagen derzeit nicht. »Das ist auch längerfristig nicht mein Ziel. Wenn man, besonders in München, ein Ladengeschäft betreibt, hat man so hohe laufende Kosten, dass einen das doch sehr unter Zugzwang setzt.« Auch ein Händlernetzwerk gibt es nicht. »Ich möchte, dass der Vertrieb meiner Dirndl komplett in meiner Hand bleibt. Das ist mir wichtig, weil ich zum einen als mein eigener Chef möglichst unabhängig Entscheidungen über meine Kollektionen treffen möchte. Zum anderen kann ich so viel besser kontrollieren und gewährleisten, dass die hohe Qualität der Produkte erhalten bleibt.«
Nina Krankenhagen nutzt diese Freiheit auch, um an neuen Ideen zu arbeiten. »Ein wirklicher Renner ist mein Umstandsdirndl. Meine Schwestern haben sich während ihrer Schwangerschaften immer wieder darüber beklagt, dass die Möglichkeiten, sich schön in Tracht zu kleiden, doch eingeschränkt sind – wenn man sich nicht eigens ein Umstandsdirndl nähen lassen möchte.« Die Lösung von Nina Krankenhagen? »Ich habe ein verkürztes Mieder entwickelt, das man an unsere normalen Trachtenröcke anknöpfen kann. Statt einer Schürze gibt es dazu ein Schleifenband. Das sieht sehr schön aus – und man kann den Rock auch nach der Schwangerschaft tragen!« Überhaupt sind die praktischen, schönen, hochwertigen Lösungen Krankenhagens Thema. »Jedes Detail ist genau durchdacht. Der Armausschnitt am Mieder ist weder zu klein noch zu groß, sondern genau richtig. Die Länge des Leibs ist angepasst, und wir bieten zwei unterschiedliche Rocklängen an: Bis unters Knie und bis zu den Knöcheln. Außerdem verwenden wir nur Naturmaterialien. Die Leiber sind alle aus reinem Leinen, Röcke und Schürzen aus reiner Baumwolle. Man merkt einfach den Unterschied, wenn man hochwertiges Material trägt, das die Haut atmen lässt und trotzdem nicht aus der Form gerät.« Außerdem, sehr praktisch: Alle Dirndl sind waschbar, Röcke und Schürzen bei 40 Grad, die Mieder im Wollwaschgang. »Wichtig bei den Miedern ist: auf links bügeln, damit das Leinen keine glänzenden Stellen bekommt.« Eine wirklich zeitgemäße Herangehensweise an ein traditionelles Thema – mit sehr schönem Ergebnis.
Hier gibt es die aktuelle Kollektion – und, natürlich, den Dirndl-Konfigurator, mit dem man sich sein Wunschmodell je nach verfügbarer Größe zusammenstellen kann:
Auch über die kommenden Termine für Pop-Up-Stores in München wird auf der Homepage informiert.