Ein einfaches Instrument – mit vielseitiger Wirkung
Christina Lindl baut im Allgäu Monochorde
Text/Interview: Andrea Iven Fotos: Philipp Bromberger
Roßhaupten, Allgäu. Es riecht gut – nach Holz. Man fühlt sich sofort wohl bei Christina Lindl, die uns im Schreiner-Outfit empfängt. Sofort legen wir los, mit einer Führung durch die Werkstatt. Lindl erklärt uns ihre Werk- und Ausstellungsstücke, wir sprechen über Musik, Instrumente, natürlich vor allem über ihr Spezialgebiet: Das Monochord.
Sofort fällt einem die angenehme Atmosphäre in der Werkstatt auf – der Holzgeruch wirkt richtig entspannend…
Insgesamt habe ich hier ca. 42 verschiedene Hölzer zur Verfügung. Heimische und sardische Holzarten, Mittelmeer-Hölzer, zum Beispiel zum Beispiel Olive oder die Wildbirne. Ein besonders schönes Stück Holz, sehr lebendig. Daraus werde ich ein Instrument bauen – die kleinen Löcher im Holz dienen als Schalllöcher, ich bin schon sehr gespannt auf den Klang!
Ich habe die Möglichkeit, Holzarten sehr kreativ zu kombinieren und auch so an meine Kunden »anzupassen«. Jede Holzart gibt uns eine Art von Impuls: Die Zirbe fährt einen runter, die Zeder wirkt aufmunternd und stärkend.
Was ist das eigentlich, ein Monochord?
Ein Monochord ist, im Grunde, ein erweitertes physikalisches Experiment. Angefangen damit hat Pythagoras. Er zeigte wie eine Saite schwingt – nicht nur halbiert als Oktave, sondern eben auch gedrittelt als Quinte, geviertelt als Quart, die 5-Teilung ergibt die Terz und so weiter. Dass wir also mit einem Instrument, mit dem wir einen Klangteppich durch schwingende Obertonsaiten erzeugen – und in diesem Teppich dann alle möglichen Intervalle mitschwingen – quasi an der Quelle der Musik stehen. Wenn alle Intervalle mitschwingen, ist es nicht nur ein therapeutisches Instrument, das mit seinen Obertönen den Körper tief berühren kann, sondern auch ein Musikinstrument. Insbesondere die ersten Obertöne, Oktave und Quint, schwingen mit. In jedem Volkslied, in jeder Volksmusik gibt es eine Grundtonation, mit Tonika und Dominante – Grundton und Quinte. Insofern kann man jedes Volkslied mit dem Monochord begleiten. Für mich ist das Besondere an dem Instrument, dass ich während dem Bauen und Spielen eigene Lieder entdeckt habe, die von Innen heraus, auf der Basis dieses Oberklangteppichs, entstehen.
Wie ist das Instrument aufgebaut? Und wo kommt es her?
Die Herkunft ist nicht geklärt. Daher neige ich dazu, es ein universelles Instrument zu nennen. Pythagoras hat es im Abendland bekannt gemacht. Es kann aber sein, dass es über die Seidenstraße oder andere verschiedene Wege und Kulturen zu uns kam, im Fernen Osten in verschiedenen Ausgestaltungen genutzt wurde. Als grundlegendes Saiteninstrument, zuerst mit Darmsaiten. In den 1980er Jahren hat das Monochord mit einem Schwung den Weg in die Musiktherapie geschafft. Es ist mittlerweile Standard in jeder musiktherapeutischen Praxis, in Kliniken und hat sich auch in Richtung Körper-Monochord entwickelt. Eine mobile Alternative zur Klangliege. Das Monochord ist eine äußerst fein gearbeitete Klangkiste. Der ideale Grundkorpus hat eine schwingende Saitenlänge von 120 mm und eine Breite von 24 cm. Die Saiten werden über Stege und zwischen zwei Stirnklötze gespannt. Auf der einen Seite mit Nägeln, auf der anderen mit Zitherwirbeln. Wichtig ist die Massivheit dieser Stirnklötze und zum anderen die Feinheit der Zargen und der Klangdecken. Und natürlich, weil die Klangdecken so fein und dünn sind, gibt’s innen noch gewölbte Bälkchen. Das Herzstück eines jeden Saiteninstruments sind zwei Dinge: Der Steg und der Stimmstock.
Wenn ich ein Instrument individuell baue, dann erspüre ich erstmal das passende Holz für die Person. Wir spüren gemeinsam, was »gebraucht« wird. Für dieses Instrument habe ich Kiefer vom Allertsee ausgesucht. Das ist ein ganz starker Kraftort hier in der Nähe. Dort wachsen die Kiefern auf Steinen, die den See umgeben. In der Mitte eine Allgäuer Moorfichte, die in allen Farben daherkommt. Und außenrum, als Kantenschutz, die Ulme.
Der Aufbau ist schnell erklärt: Erst kommt der Zargenkranz, die Bohrungen der Schalllöcher, der Wirbellöcher, dann wird der Zargenkranz verleimt. Und was nur ich mache: Meine Instrumente haben eine Taille. Sie wirkt als Klangverstärker, angelehnt an den Geigenbau. Beim bauchigen Aufbau würde der Klang verpuffen. Durch die Taille gibt es quasi eine pneumatische Vibration, die dem Ton dann den nötigen Wind gibt. Hier verbindet sich einfach wunderbar meine Leidenschaft für das Bauen mit meinem Ohr.
Sie bieten ja auch Kurse zum Selbstbau an?
Ja, genau. Diese Kurse sind sehr beliebt.
Und wie kommen Sie denn zum Monochordbau? Zu Ihrem Beruf?
Ich habe Sozialwissenschaften studiert. Ich bin Schreinerin und Pädagogin. Das ist meine Kombination. Nach meinem Pädagogikstudium bin ich eher zufällig zum Monochordbau gekommen, weil ich einen familiären Hintergrund habe, durch meinen Vater. Er hat hobbymäßig Instrumente gebaut und sich auch intensiv mit den Zwiefachen befasst. Ich habe freiberuflich im Germanischen Nationalmuseum gearbeitet. Man hatte mich gebeten, anlässlich des 900jährigen Meistersingerjubiläums einen Instrumentenbaukurs anzubieten. Und was lag näher, als dem Tipp meines Vaters zu folgen: Bau doch ein Monochord. Dabei bin ich geblieben. Der Bau hat sich entwickelt und verfeinert. Im Moment mache ich gerade den Meister im Schreinerhandwerk. Innerlich habe ich ihn schon. (lacht)
Für wen ist das Monochord besonders geeignet? Gibt es DEN Monochord-Spieler? Oder geht’s schon überwiegend um den Therapie- und Förderbereich?
Das Monochord ist sicher am meisten verbreitet in der Musiktherapie. Es gibt aber auch Philharmoniker, die mit dem Monochord ganze Aufnahmen gemacht haben. Bach und andere namhafte Komponisten haben für ihre Kompositionen das Monochord als Grundlage genommen. Immer mehr im Kommen ist der Einsatz beim Yoga. Viele Kunden sind Yogalehrer. Und natürlich musikinteressierte Privatpersonen, die diesen schönen, entspannenden Klang haben möchten. Ich gebe auch Workshops, in denen ich die unzähligen Möglichkeiten aufzeige. Es geht im Spiel weniger um die Virtuosität: Die besondere Wirkung entsteht durch die Kombination aus Musik, Klang und Stille. Man rutscht in die Stille, obwohl man von Klang umgeben ist. Dieser Klangraum ist ein Raum, in dem sich viel entfalten darf. Oder in dem man einfach nur sein kann. Jenseits der Polarität, in der wir leben. Das ist wie ein Auftanken, gleichzeitig lernt man sich selber kennen. Weil es ein Lauschen, ein Nach-Innen-Lauschen ist.
Kann man das Monochord einfach und mit jedem Alter erlernen?
Ja, auf jeden Fall. Man braucht keinerlei Vorkenntnisse, um es zu spielen. Die einzige Herausforderung ist, sich mit dem Stimmen zu befassen. Das Stimmen ist aber auch wie eine Meditation. Es geht ums Zuhören. Und wer sich da gar nicht einfinden kann, der kann auch ein Stimmgerät nutzten. Eine ganz besonders starke Wirkung zeigt das Monochord, wenn Kinder damit in Kontakt kommen. Der Klang lässt Kinder zur Ruhe kommen. Sie fühlen sich getröstet. Im Mutterleib erleben und hören Kinder die Obertöne der mütterlichen Stimme. Im Verlauf der Menschheitsgeschichte ist die Aufrichtung der Wirbelsäule verbunden mit dem Lauschen auf den Klang der Mutterstimme. Insofern ist das für die Kinder eine Art »Heimatgefühl« – ich bin geborgen.
Und Volksmusik auf dem Monochord? Geht das?
Neben Jodlern habe ich besonders Freude an den Zwiefachen. Zu begleiten geht jedes Volkslied, das aus Grundton, Quinte und Quarte besteht. Das Quart-Intervall „reibt“ ersteinmal, aber es ist sehr schön, wenn sich das dann in der Grundharmonie wieder auflöst.
Jodler entdecken – Volksmusik improvisieren
Die traditionelle Volksmusik entspringt einer Zeit, in der sie mit ihren Rhythmen und Melodien die Bedürfnisse der bäuerlichen Gemeinschaft bedienten. Wie wäre es, selbst aus der Quelle der Musik zu schöpfen, im Klangteppich der Obertöne eigene Lieder zu finden? Jodler sind ein alter, neuer Weg, der uns dies lebendig vor Augen führt und erfrischende Impulse gibt. Auf Wunsch erklingen Zwiefache als rhythmische Besonderheit.
Informativ: Die Harmonien unserer Lieder haben einen Bezug zur Landschaft, in der sie entstehen. Einfach und mit leicht nachvollziehbarem Aufbau. So entstehen aus dem Augenblick heraus Melodien, entfalten sich Rhythmen, die einen tiefen Bezug zu uns haben. Das Ensemblespiel erhöht die Spannung und den Reiz: bei sich zu bleiben und gleichzeitig die Vielschichtigkeit der Gruppe wahrzunehmen. So über Traditionen hinaus zu gehen macht Freude und lässt uns miteinander kreativ sein.
Workshoptermine ab Winter 2020/21 auf Anfrage