Text: Christoph Lambertz Fotos: www.mutmacherkaffee.de
Dass uns in der Beratungsstelle für Volksmusik des Bezirks Schwaben Anfragen nach bestimmten Liedern erreichen, gehört zum alltäglichen Geschäft. Normalerweise kommen diese Anfragen per Telefon oder E-Mail. Dass sie per Brief kommen ist heutzutage eher eine Seltenheit. Ein solcher erreichte uns im August 2017. Frau H. aus dem Landkreis Reutlingen schrieb (siehe Kasten):
Wenn die Anfrage nach einem Lied kommt, das ich nicht kenne, habe ich diese Vorgehensweise (Reihenfolge kann variieren):
- ich frage meine Kolleginnen, ob sie das Lied kennen
- ich schaue in unsere Datenbank und in die anderer Institutionen (z. B. Forschungsstelle für Volksmusik in Franken, Österreichisches Volksliedwerk)
- ich suche in den Liederbüchern in unserer Bibliothek
- ich benutze eine Suchmaschine im Internet
Wenn ich gar nicht fündig werde, stelle ich die Suche auch schon mal ein. So wäre es auch im Fall des Kaffee-Lieds gewesen, denn bei der Suche im Internet traf ich ausschließlich auf Namen kleiner Kaffeehäuser im südwestdeutschen Raum, die sich Caféle, Kaffele o. ä. nennen. Doch hatte Frau H. in ihrem Brief ein frankiertes Rückkuvert beigelegt. Wenn bereits 70 Cent für’s Porto investiert wurden, setzt einen das schon etwas unter Druck. Also intensivierte ich meine Internetrecherche nochmal. Und tatsächlich, ganz weit hinten bei den Treffern der Suchmaschine stieß ich auf ein Mitteilungsblatt der evangelischen Gemeinde Holzgerlingen (Landkreis Böblingen), in dem berichtet wurde, dass bei einem Seniorennachmittag das Lied Mei Kaffeele vorgetragen worden sei. Über das Pfarrbüro erhielt ich den Kontakt zur Leiterin des Seniorenkreises, Frau N.
Sie schickte mir per E-Mail ein Textblatt des Liedes. Ein Notenblatt sei auch vorhanden, aber derzeit nicht auffindbar, weshalb Frau N. anbot, mir die Melodie am Telefon vorzusingen. Ich durfte das Telefonat aufzeichnen, um die Melodie nach der Aufnahme zu transkribieren. Noch bevor ich die Transkription fertigstellen konnte, erhielt ich nochmal eine E-Mail von Frau N., mit dem Scan eines handschriftlichen Notenblatts: Mei Kaffeele für Singstimme und Klavier! Es hatte sich also gelohnt, bei der Suche nicht locker zu lassen.
Noch einen weiteren wichtigen Hinweis fand ich bei der online-Recherche. Das Lied Mei Kaffeele ist im Musikalisch-literarischen Monatsbericht vom Januar 1902 verzeichnet. Der heute noch existierende Hofmeister-Verlag in Leipzig gab von 1829 bis 1942 diese monatlichen Verzeichnisse über alle neuerschienenen deutschsprachigen Musikalien heraus. Einige Archive (u. a. die Österreichische Staatsbibliothek) haben diese Verzeichnisse für die online-Recherche bereitgestellt, was die Suche sehr erleichtert. So erhielt ich also die originalen Daten des Stücks ...