Klangboot fahren
Auf Entdeckungsreise zu sich selbst
Das Klangboot ist ein noch recht junges Musikinstrument, das zunächst vor allem für die Klangtherapie mit behinderten Kindern und Jugendlichen entwickelt wurde. Vorbild ist ein Monochord – ein Instrument bestehend aus einem länglichen Resonanzkasten, über dem mehrere Saiten auf gleicher Tonstimmung gespannt sind. Wie der Name verrät, hat es die Form eines ca. zwei Meter langen Bootes, das freischwingend aufgehängt ist. Die bis zu 20 Metall-Saiten befinden sich an der Unterseite über die gesamte Länge gespannt und werden vom Boden sitzend angespielt, während die zu behandelnde Person im Boot liegt.
Eine erfahrene Klangboot-Therapeutin der ersten Stunde ist Rosemarie Seitz aus Eibelstadt bei Würzburg. Neben ihrer mittlerweile 25-jährigen klangtherapeutischen Tätigkeit arbeitet sie als freischaffende Musikerin solistisch und in verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen. Bekannt ist sie u. a. als Harfenistin bei Allerweil, der Gruppe Califragilis und bei Die kleine Kapelle. Magnus Kaindl hat sich für die »zwiefach« mit ihr unterhalten.
Text und Interview: Magnus Kaindl Fotos: Archiv Rosemarie Seitz
- Magnus Kaindl: Rosemarie, du bist Klangtherapeutin. Wie wird man das?
Rosemarie Seitz: Eine offizielle Ausbildung zum Klangtherapeuten mit Schwerpunkt Klangboot gibt es so nicht. Bei mir hat sich das einfach nach und nach ergeben. Aus der Pädagogik kommend – ich habe neben Harfe auch Musik- und Bewegungserziehung am Orff-Institut in Salzburg mit Schwerpunkt Musik und Tanz in der Sozial- und Heilpädagogik studiert – hat sich meine Arbeit seit ich 1992 bei der Lebenshilfe Würzburg begonnen hatte, immer mehr zur Musiktherapie hin entwickelt. Dort arbeitete ich überwiegend mit geistig behinderten Kindern in Einzel- und Gruppentherapie.
Bald darauf habe ich dann auf der Station Tanzbär der Missio Kinderklinik schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche betreut. Das war noch einmal eine ganz andere Herausforderung, weil sich die Kinder überhaupt nicht bewegen, nicht sprechen und nur wenig zeigen konnten. Da stößt man mit der Musiktherapie schnell an Grenzen und das war letztlich mein Einstieg in die Klangtherapie. Vorteilhaft war natürlich mein Musikstudium, weil man den besonderen Umgang mit Klang von der Pike auf lernt. Meine eigentlichen Ausbilder aber waren und sind die Kinder und Jugendlichen mit denen ich arbeite, indem sie mir zeigen bzw. ich spüren lerne, was sie von mir bzw. vom Klang brauchen.
- Bei Klangtherapie denkt man oft zunächst gerne an die klassische Klangschalen-Therapie. Dabei gibt es ein viel breiteres Spektrum. Wie bist du mit dem Klangboot in Berührung gekommen?
In Berührung gekommen bin ich durch den direkten Kontakt mit dem Erfinder und Entwickler Elmar Vogt. Wir waren beide Teilnehmer im Würzburger Musiktherapeutenkreis. Er hatte bereits mehrere Monochorde für die Arbeit mit Behinderten entwickelt und auch mit seinem ersten selbstgebauten Klangboot Erfahrungen gesammelt. Und als ich in der Klinik gelandet bin, habe ich den Elmar in meine Arbeit integriert. Wir haben dort jahrelang zusammen gearbeitet und ich habe viel von ihm gelernt. Und das Klangboot war für die Bedürfnisse der Kinder die beste Lösung, weil der Kontakt zu ihnen über das Fühlen und Hören können am besten funktioniert hat.
- Hast du einen Überblick, wo aktuell überall mit dem Klangboot gearbeitet wird?
Die Verbreitung ist so weit ich weiß derzeit mehr oder weniger auf Deutschland begrenzt, mit regionalen Schwerpunkten. So gibt es in der Umgebung von Würzburg tatsächlich ein dichteres Netz, nicht zuletzt weil dort etliche große Einrichtungen wie das Körperbehindertenzentrum ansässig sind. Und Elmar Vogt hat hier auch jahrelang seine Instrumente vor Ort gebaut, ehe er vor ein paar Jahren in die Nähe von Köln gezogen ist. Neben den öffentlichen Einrichtungen gibt es auch einige Therapeuten, die wie ich ein Klangboot aus Elmars Werkstatt besitzen. Da es sich um ein angemeldetes Patent handelt, baut er die Klangboote alle selbst.