»In echt zu spielen ist halt immer noch am schönsten!«
Erfahrungen aus Livestream-Konzerten
Text: Evi Heigl Fotos: Maria Svidryk, Mark Gunelas, Markus Wangler, Max Saufler, Andreas Keilholz, rechts-der-wertach
Die vergangenen Monate haben gezeigt, was passiert, wenn Musik plötzlich verstummt, weil sie nicht mehr live vor echtem Publikum stattfinden darf. Für die gesamte Kulturszene war diese Tatsache ein Schock und man überlegte fieberhaft, welche Möglichkeiten geschaffen werden konnten, um dennoch Konzerte anbieten und an das entsprechende Publikum bringen zu können. Andererseits ging es – ungeschminkt gesagt – ganz einfach darum, Mittel und Wege zu finden, Künstlern beim Überleben zu helfen. Die Suche nach alternativen Formaten begann. Und was lag beim Gebot des Abstandhaltens und sich Nichtbegegnensollens näher als sich eben – wie in vielen anderen Bereichen auch – online zu treffen. Die bisher bei Konzerten eher selten genutzte Technik des Live-Streamings, also der Echtzeit-Videoübertragung nach Hause ins Wohnzimmer, war plötzlich in aller Munde und machte auch im Laienbereich Furore. Künstler versuchten auf diese Weise »im Geschäft« zu bleiben und hofften darauf, dass ihnen das Live-Streaming doch einige Einnahmen beschert. Jetzt, den Sommer über, war der Konzertbesuch per Livestream nicht mehr so gefragt und zum Glück auch nicht mehr so nötig. Womöglich liegt er aber auch bloß vorübergehend auf Eis …
Eine Umfrage
Uns hat nun interessiert, wie sich das für die Musikerinnen und Musiker angefühlt hat, als sie plötzlich kein sichtbares Publikum mehr vor sich hatten, sondern nur noch in eine Linse hinein-performen sollten. Folgende Musikanten haben uns Einblicke in ihre Erfahrungen gewährt:
Petra Küfner und Markus Wangler von Musique in Aspik, Martin und Stefan Hegele von ScheinEilig, Aarón Vega von Elephant, David Saam von Boxgalopp und Magdalena Held, Sängerin im Madrigalchor der Hochschule für Musik und Theater, München.
Wir haben aber auch mit einem Mann gesprochen, der auf der anderen Seite der Kamera gestanden hat: Yas¸ar Dog˘an vom Quartiersmanagement Rechts-der-Wertach in Augsburg. Er hat Online-Konzerte organisiert, war bei Streamings für die Technik zuständig und hat die Künstler betreut. Zusammen mit Thomas »Flonny« Kluge hat er im Rahmen der Augsburger Livestream-Konzertreihe Kultur im Projektraum an die 70 Künstlerauftritte gemanagt. Finanziert wurde die Reihe erfolgreich über Spendenzuwendungen und eine Startnext-Kampagne.
Zwiespältige Gefühle
Grundsätzlich konnte man als Zuschauer bei den verschiedenen Live-Übertragungen von Konzerten das bestimmende Gefühl, ja die eigentliche Einstellung der Ausübenden zu der ganzen Aktion ganz gut beobachten: Da gab’s die einen, die froh waren um diese Online-Auftrittsmöglichkeit, die frisch drauf losmusizierten und sich beherzt der Situation stellten. Da kam dann zu Hause beim »Konzertbesucher« tatsächlich ein wenig Stimmung auf.
Anderen wiederum sah man förmlich an, wie unwohl sie sich in dieser künstlichen Atmosphäre fühlten. Sie spielten eher vor sich hin, so als hätten sie sich nur zu einer Probe getroffen. Da kam dann auf dem Bildschirm natürlich nicht allzu viel rüber und man hatte als Zuschauer eher das Gefühl, eine voyeuristische Rolle einzunehmen. Da bekam man fast ein wenig Mitleid. Im schlimmsten Fall schaltete man vorzeitig ab.
Motivation
Yas¸ar hat beobachtet, dass es für einige Künstler tatsächlich äußerst ungewohnt war, ohne Publikum zu spielen. Wichtig sei demnach gewesen, wie die Minuten vor Beginn des Konzerts abgelaufen sind und dass jemand für Entspannung und gute Stimmung gesorgt hat: »Leo, unser Kameramann, und ich waren bei der Aufführung immer aktiv mit dabei, haben den Künstlern gezeigt, wieviel Freude uns ihre Performance bereitet und haben nach jedem Stück kräftig Applaus gegeben, was die Künstler auch wieder motiviert hat.« Das war aber offensichtlich nicht überall so. Bei manchen Streamings – so haben wir erfahren – befanden sich die Musiker ganz alleine im Raum und waren tatsächlich sich selbst überlassen. Eine große Herausforderung! Nun ist der Applaus alleine natürlich nicht das Brot des Künstlers, wie immer so schön behauptet wird – aber wohl ist er seine seelische Nahrung. Er macht die Atmosphäre des Konzerts aus und ist eine Möglichkeit der Interaktion zwischen Auftretenden und Publikum.