Goaßlschnalzen
Bei Simon Wolff lassen acht Neulinge zum ersten Mal die Fuhrmannspeitsche krachen. Ein Selbstversuch
Text und Fotos: Helene Weinold
Klack – klack – klack – klack: Trocken und laut lässt Simon Wolff offenbar ohne große Anstrengung seine Fuhrmannspeitsche, die Goaßl, rhythmisch knallen. Seine Bewegungen mit dem rechten Arm sind sparsam, die linke Hand steckt lässig in der Hosentasche. Wir sind beeindruckt. Das sieht doch gar nicht so schwer aus.
Acht hochmotivierte Neulinge, darunter zwei Frauen, haben sich auf Einladung der Volksmusikberatungsstelle des Bezirks Schwaben in der Turnhalle des Bruder-Klaus-Heims in Violau eingefunden, um hinter das Geheimnis des Goaßlschnalzens zu kommen, mit dem sich einst die Fuhrleute bemerkbar gemacht haben. Die Beweggründe sind ganz unterschiedlich: Charlotte Högner, Dirigentin eines Blasorchesters, hat vor einigen Jahren das Alphornblasen gelernt und ist gespannt auf etwas Neues. Der Zimmerer Stefan Leitenmaier, dessen Vater die Goaßl schnalzen ließ, möchte das nun selbst ausprobieren, und Kommunalpolitiker Leo Kränzle meint augenzwinkernd: »Wer weiß, wofür man das brauchen kann!«
Christoph Lambertz, der Volksmusikberater des Bezirks Schwaben, nimmt selbst am Kurs teil und erzählt: »Als wir überlegt haben, welche Kurse wir in Corona-Zeiten anbieten könnten, ist uns das Goaßlschnalzen eingefallen, denn da werden die notwendigen Abstände ganz automatisch eingehalten.«
Liegende Acht
Die ersten Versuche sind ernüchternd, obwohl wir alles beachten, was Simon Wolff – der Simmerl – uns geduldig wieder und wieder erklärt: Der Daumen liegt auf dem Griff, die übrigen Finger umschließen ihn, das Handgelenk muss nach oben zeigen, damit auch die Peitschenspitze nach oben weist. Die Spitze der Goaßl muss eine liegende Acht beschreiben, wobei die Hand beim Schwung nach links leicht nach außen, beim Schwung nach rechts leicht nach innen gedreht wird. Dabei soll die Schnur unter Spannung und die Spitze weit außen bleiben.
Die Peitschenschnüre zischen durch die Luft, aber mehr als ein Zischen oder ein leiser Fluch, wenn sich die Schnur mal wieder um den Stiel gewickelt hat, ist kaum zu hören. Doch nach einer Viertelstunde mischt sich hier und da schon ein kleiner Knall dazwischen. Simon Wolff geht von einem zum anderen, korrigiert die Haltung und ermutigt uns durchzuhalten: »Wichtig ist die Technik, der Knall kommt dann von selber.«
Handgedrechselte Griffe
Er muss es wissen: Der 68-Jährige aus Chieming am Chiemsee hat 1973 mit dem Goaßlschnalzen angefangen und mit seiner Gruppe 13-mal die Bayerische Meisterschaft gewonnen. Außerdem baut er, der bis zum Ruhestand als Pharmazietechniker gearbeitet hat, Fuhrmannsgoaßln, die weit über Bayern hinaus gefragt sind. Die Griffe dafür fertigt ein Drechsler aus seinem Ort von Hand an, die Stiele bestehen aus modernem Fiberglas, die Schnüre oder Strickerl werden in einer Seilerei in Burladingen eigens nach Wolffs Vorgaben hergestellt, sodass sie sich von Seilstärke oben bis zu einer schnurartig feinen Spitze unten verjüngen.