»Annamirl, Zuckerdirl, gäihst mit mir in d’ Schlöicha?«

Dass Dialekt wieder in ist, zeigt sich nicht nur in Fernsehserien wie Dahoam is dahoam oder durch Musikgruppen wie La Brass Banda, sondern nicht zuletzt auch dadurch, dass viele Kinder – unabhängig von Hautfarbe und Herkunft – Dialektlieder richtig cool finden. Wer also mit Kindern Dialektlieder singen möchte und auf die Suche geht, der wird in diversen Kinderliederbüchern schnell fündig. Oder aber, er schreibt selbst solche Lieder auf. Und damit beginnt das Dilemma …

Text: Simone Lautenschlager

Wozu dient eine schriftliche Fixierung?

Im privaten Gebrauch dienen Liedaufzeichnungen oft als Gedächtnisstütze und Merkhilfe. Bei Publikationen hingegen steht das Bewahren oder die Verbreitung der abgedruckten Lieder im Vordergrund. Durch eine Veröffentlichung wird das Liedgut einem großen Publikum zugänglich gemacht und somit der Verbreitungsradius erheblich erweitert. Denken wir an die Liederbücher Sepp Depp Hennadreck (1993) oder auch Zing Zang Zing (2001) der Biermösl Blosn. Sie haben bayernweit Einzug in viele Kinderzimmer gehalten und insbesondere auch in das Liedrepertoire dialektaffiner Menschen.

Was ist an der Verschriftlichung des Liedtextes so schwer?

Versuchen Sie einmal, den folgenden Text in Ihren Dialekt zu übertragen: »Unser Hans hat Hosen an.«Für die meisten kein Problem. »Unser Hans hod (håt) Hosn o (a) Im Fichtelgebirge würde man es aber so schreiben: »Unner Hans haout Huasn oa.« Für alle, die nicht aus dieser Region kommen, ist das kaum lesbar und schon gar nicht auszusprechen.

Jeder von uns lernt in der Schule Schriftdeutsch, aber nicht, welche Möglichkeiten es geben könnte, Dialekt aufzuschreiben. Das ist auch sehr schwer, weil es keine wirklichen Richtlinien dafür gibt, nur Tendenzen. In Bayern ist die Mundart regional sehr unterschiedlich, ändert sich teilweise sogar von Ortschaft zu Ortschaft. Vor allem die Vokalfärbungen differieren stark. Oder hätten Sie auf Anhieb verstanden, was »Unner Hans haout Huasn oa« bedeutet?

Der kreative Umgang mit Dialektliedern

Sucht man nach Dialektliedern für Kinder, steht in der Regel die Absicht dahinter, im Dialekt zu singen, und zwar bestenfalls im eigenen. Regionale Liederbücher sind allerdings Momentaufnahmen einer bestimmten Mundart. Sie sind sozusagen eine Nachschrift, aber keine Vorschrift. Sie sollen, dürfen und müssen sogar zurecht gesungen und auf die jeweiligen Menschen angepasst werden, um daraus Gebrauchslieder zu machen. Das ist in den meisten Fällen gar nicht schwer. Oft reicht es, wenn man die Wörter austauscht.

»Hirankl, Horankl,
hupfata Bua,
ziahg de rot Hosn o,
tanz mit da Kuah!«

»Hirankl, Horankl,
hupfata Bou,
zöig de rout Hosn a,
tanz mit da Kouh!«

Es kann passieren, dass aufgrund des geänderten Dialektwortes, der Reim nicht mehr funktioniert. Dann muss man etwas kreativer sein. Kinder haben oft die besten Ideen, und es ist empfehlenswert, sie beim Umdichten miteinzubinden.

»Bin i net a scheener Hoh,
kikerikiki,
schauts grad her, was i ois ko,
kikerikiki.«

»Bin i niad a schöiner Gockl,
kikerikiki,
schauts nur her, wöi i rumwackl,
kikerikiki.«

Oder bestimmte Begriffe kommen in bestimmten Mundarten gar nicht vor. Auch da ist Kreativität angesagt.

»Annamirl, Zuckerdirl,
gäihst mit mir in d’ Schlöicha?
I ka niat göih, i ka niat göih,
i ho an böisn Zäicha.«

»Annamial, Zuckerschnial,
gehscht mit mia in d’ Schleha?
I konn net geh, i konn net geh,
i håb an bäsn Zeha.«

»Annale, Annale,
gang mit mir in d’Schleha!
I ka it gau, i ka it gau,
i hau an beasa Zeah.«

»Annamirl, Schätzle,

geahste mit mir naus die Schlea?

Ich konn net (mit)gegiah, ich konn net (mit)gegiah,

ich hob a wunde Ziäh.«

Die meisten Kinderliederbücher werden von Erwachsenen gelesen, von Multiplikatoren, denen der regionale Dialekt und die Erhaltung desselben wichtig sind. Den Kindern ist egal, was im Liederbuch steht. Sie können – je nach Alter – die Texte meist ohnehin nicht lesen, sie dafür aber oft schon, nachdem sie die Lieder einmal gehört haben, auswendig mitsingen. Darum sind Liederbücher für Kinder zweitrangig. Wichtig sind die Lieder selbst. Also am besten: umgestalten und auswendig singen. Noch besser: zusammen mit den Kindern umgestalten. Dadurch fühlen sie sich mit den Liedern noch näher verbunden.

Ein kurzer Schlussappell

Durch eine Publikation erreicht man viele Menschen auch aus zahlreichen anderen Regionen mit anderen Mundarten. Ziel einer Veröffentlichung kann nicht sein, dass bayernweit alle ein bestimmtes Lied in ein und demselben Dialekt zu singen versuchen. Viel schöner wäre es doch, wenn Lieder auch in anderen Gegenden Einzug und Verbreitung fänden, wo sie zuvor noch nicht bekannt gewesen waren. Dazu wäre es hilfreich, wenn man sich einer etwas gemäßigteren, an das Schriftdeutsche angelehnten Schreibweise bedienen würde, die die Ausgangslage für eigenständiges Umformulieren wäre. Das gesungene Lied in möglichst vielen selbstformulierten Dialekten ist dann die größte Erfolgsgeschichte.