Oberpfälzer Krippenkultur
Text: Flavien Rocheron Fotos: Diözese Regensburg, Stadt Tirschenreuth
Fein und vornehm sind sie nicht, die Oberpfälzer Krippenfiguren. Und doch blicken sie auf eine bewegte Geschichte zurück. Die erste Krippe in der Oberpfalz ist wohl »an den Weihnachtstagen von 1621« in Amberg entstanden.
Nachdem Kurfürst Maximilian I. von Bayern, einer der führenden katholischen Fürsten im Dreißigjährigen Krieg, 1621 die »Obere Pfalz« erobert hatte, ließ er im Zuge der Rekatholisierung von Ordensbrüdern aus Altötting im Festsaal des Kurfürstlichen Schlosses zu Amberg lebensgroße Figuren aufstellen, um die Weihnachtsgeschichte zu feiern. Die Krippen verbreiteten sich dann vor allem durch das Engagement der jesuitischen Ordensbrüder rasch; alsbald gab es ähnliche Figurenaufbauten auch in Neumarkt (1622), Weiden (1627), Schwarzenbach bei Tirschenreuth (1630) und Sulzbach (1638) zu bestaunen.
Schicksalsschläge und Alltagsleben
Im Laufe der Zeit verkleinerten sich die Figuren zu immer vielfältigeren und komplexeren Krippen. Neben den professionellen Barockkrippen aus den Klöstern fingen auch Laien an, sich mit dem Krippenbau zu befassen. Häufig verarbeiteten die Oberpfälzer persönliche Schicksalsschläge in der Gestaltung ihrer Figuren; zu denken ist hier beispielsweise an die Pest 1634 oder den Bayerischen Erbfolgekrieg. Viele Oberpfälzer Krippen mit ihren Mühlen, Hammerwerken, tiefen Wäldern, Bastionen und Soldaten geben einen Einblick in das Alltagsleben.
Im Zuge der Aufklärung musste die Krippenbau-Kunst dann herbe Rückschläge erleiden. So hieß es im 18. Jahrhundert, die Krippe sei kindlich und unvernünftig und stehe somit dem christlichen Glauben entgegen. Sowohl Geistliche, wie etwa der die barocke Volksfrömmigkeit heftig ablehnende Regensburger Bischof Max Prokop (1787 – 1789), als auch der Bayerische König Maximilian I. erließen daher mehrfach Krippenverbote, gegen die die Bevölkerung und die niedere Geistlichkeit jedoch heftig aufbegehrten. Dies hatte eine schrittweise Aufhebung der Verbote zur Folge (bis 1823), der Vorwurf der Lächerlichkeit blieb jedoch bestehen. Durch die von König Ludwig I. unterstützte religiöse Restauration ab 1825 erfuhren die Krippen einen weiteren Aufschwung. Spätestens jetzt setzte die Hinwendung der breiten Bevölkerung zur Hauskrippe ein und viele begannen, ganz unabhängig von kirchlichen Konventionen selbst zu schnitzen. So fanden bürgerliche Themen und Interessen ihren Einzug in die Krippen. So reihten sich Handwerker, Soldaten mit Pickelhauben neben Hochradfahrer oder Kaminkehrer ein.
Frömmigkeit und Handwerkskunst
Im Jahr 1837 entstand in Kötzting die erste Schnitzschule und die einfache Bevölkerung etablierte sich als Träger des Krippenbrauches. Im Kriegsjahr 1917 gründete der Schwäbische Pfarrer Alois Burger in Günzburg den ersten bayerischen Krippenverein. 1922 folgte Regensburg und 1924 Amberg. Das Ziel beim Figurenschnitzen war nie ein gänzlich perfektes Ergebnis. In erster Linie ging es den Oberpfälzern darum, ihren Glauben und ihre Frömmigkeit mit Fleiß und Handarbeit sichtbar zu machen. Wie der Regensburger Krippenpatriarch Hannes Buhl 1989 treffend feststellt, steckt der Krippenbauer »seine ganze Persönlichkeit, sein Empfinden, seine Einsatzbereitschaft« in seine ganz einzigartige Krippe.
Das »Eigene«, das »Selbstgemachte« spielt also in der Oberpfälzer Krippenkultur eine wesentliche Rolle. Und das sieht man auch. Eine besonders ausgeprägte Hauskrippentradition findet sich im Stiftland. So sind Tirschenreuth und Plößberg bis heute Zentren der Krippenkultur. Der amtierende Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ist ein großer Freund und Förderer der Krippenkunst und auch die Neukonzeptionierung des Diözesanmuseums trägt der Bedeutung der Krippenkunst für die Region Rechnung.
Literaturhinweise:
Gerhard Bogner: Krippen in der Oberpfalz, Regensburg 2001.
Johannes Buhl: Krippenvereine in der Oberpfalz, in: Erika und Adolf Eichenseer (Hg.): Oberpfälzer Weihnacht. Ein Hausbuch von Kathrein bis Lichtmess, Regensburg 1998.