Paolo I. aus der Schweiz interessiert sich besonders auch für Zwiefache. Nun ist ihm aufgefallen, dass sich in der »zwiefach« 63/3 die Schreibweisen des Zwiefachen Wirt vom roten Turm in den Bearbeitungen für Blasmusik von Dominik Harrer bzw. Diatonische Harmonika von Roland Pongratz unterscheiden und hat nachgefagt, warum das so ist.
Lieber Herr I.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Es freut uns sehr, dass es auch in der Schweiz Spezialisten für Zwiefache gibt - sehr interessant. Tatsächlich ist das mit der Zwiefachen-Notation eine echte Krux. Wie Ihnen sicher bekannt ist, wurden die Zwiefachen in den bayerischen Musikantenhandschriften des 19./20. Jahrhunderts fast durchgängig so notiert, dass eine Viertelnote im Walzer-Takt einer Achtelnote im Dreher-Takt entsprach (was eher der tänzerischen Sichtweise entspricht). Vielfach ist diese Schreibweise den Musikanten bis heute bestens vertraut. Nur selten wird die Richtigkeit hinterfragt, vielleicht auch deshalb, weil die Musikanten es gewohnt waren/sind, die kurzen taktwechselnden Tanzweisen mit den vielen Wiederholungen auswendig zu musizieren. Nicht umsonst wurde der Zwiefache 2016 von der deutschen UNESCO-Kommission in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/zwiefacher.
Dominik Harrer hat sich bei seiner Bearbeitung des Zwiefachen Wirt vom roten Turm für Blasorchester in der »zwiefach« 63/3 nahe an das Original angelehnt, um zu zeigen, was aus der einstimmigen Überlieferung arrangiert werden kann. Bei meiner Griffschrift-Bearbeitung dür diatonische Harmonika, fühlte ich nicht mehr an das Original gebunden und habe daher die metrisch richtige Notation gewählt: Viertelnote im Walzer-Takt entspricht Viertelnote im Dreher-Takt. Das vereinfacht das Musizieren auch für Quereinsteiger, die vielleicht mit Zwiefachen bisher noch nicht in Berührung kamen und verhindert eine falsche Wiedergabe.
Dr. Erich Sepp hat vor wenigen Jahren eine weitere Notationsmöglichkeit entwickelt und u. a. im Buch Vom Tanz aus der Reihe. Neue Studien zum Zwiefachen publiziert. Aber auch diese Möglichkeit (2/2 oder 1/2-Takte) hat sich bisher nicht endgültig durchgesetzt. Das Buch ist im Übrigen für alle, die sich mit den Zwiefachen auseinandersetzen wollen höchst lesenswert. Hier können Sie es direkt beim herausgebenden Landesverein für Heimatpflege e. V. beziehen: https://www.heimat-bayern-kaufladen.de/volksmusik/musikleben/669/vom-tanz-aus-der-reihe.-neue-studien-zum-zwiefachen.
Es gibt also drei gängige Varianten die Zwiefachen zu notieren. Darum haben Sie recht, die Autoren und Bearbeiter sollten jeweils vermerken, welche Schreibweise zur Anwendung kam. Wir versuchen uns in Zukunft dran zu halten, vielen Dank für Ihren Hinweis!
Mit herzlichen Grüßen,
Roland Pongratz
Redaktionsleiter »zwiefach«
Zur Redaktion der »zwiefach« gehören ausgewiesene Fachleute aus den Bereichen Musikethnologie, Musikwissenschaft, Volksmusikpflege, Musikpädagogik oder Volkskunde. Sie sind z. T. bei renommierten Institutionen tätig und helfen den »zwiefach«-Lesern gerne bei Fragen zur Volksmusik weiter.