Der perfekte Sound – wie geht das?

Der perfekte Sound – wie geht das?

 

Was sich alles machen lässt am, im und mit dem Akkordeon, wenn es um den Sound geht! Oft suchen Akkordeonistinnen und Akkordeonisten aller Stile nach dem oder vielmehr nach ihrem idealen Sound. Zwei langjährige Klangforscher unter den Profimusikern, Kimmo Pohjonen und Klaus Paier, haben ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu diesem Thema geteilt. Heinz Aumüller, zuständig für den ­Vertrieb von Pigini-​Akkordeons in Deutschland, und Jürgen Pfister vom Akkordeon Centrum Pfister, gaben Einblicke aus der Perspektive von der Fertigung bis zur Reparatur. So lässt sich ein vielseitiges Bild zeichnen von dem, worauf es Musikern ganz besonders ankommt: dem perfekten Sound.

Text: Christina M. Bauer Fotos: Michael Reidinger, Mikki Kunttu, Pigini Deutschland, Christina M. Bauer

Perfekten Sound wünschen sich alle. Was tun, um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen? Klaus Paier ist ein ausgezeichneter Akkordeonist, der ein enormes Repertoire zwischen Jazz, klassischer Musik und anderen Einflüssen entwickelt hat. Über die Jahre hat der Musiker aus dem österreichischen St. Stefan eine Menge Originalkompositionen geschrieben, zu denen es mehrere Notenbände und Lehrbücher gibt. Als einer von wenigen hat er nach Jahrzehnten mit verschiedenen Akkordeons sogar ein eigenes Modell anfertigen lassen nach seinen Vorgaben: die Passion, von der es weltweit nur sieben Anfertigungen gibt.

Sein Fazit zum Thema perfekter Sound: Ein gutes, auf die individuellen Bedarfe abgestimmtes Akkordeon ist wichtig. Es ist bei der Musik und dem Klang trotzdem nicht der Hauptfaktor. „Das Wichtigste am Sound ist die Tongestaltung“, betont der Künstler. Soll heißen: einen großen Teil des Klangs macht der Musiker durch die Art, wie er spielt. Wie arbeiten Musiker mit der erforderlichen Luft, wie mit dem Blasebalg, wie artikulieren und nuancieren sie. Es kommt also nicht von ungefähr, dass besonders diese Aspekte beliebte Themen von Lehre, Trainings und Kursen sind. „Artikulation ist das Grundgerüst des Klanges“, ergänzt Paier. Er selbst hat jahrelang intensiv an solchen Faktoren bis zu den feinsten Nuancen gefeilt, und selbst zur Vielfalt an Übungsbüchern und Übungs-​CDs beigetragen.
Musiker wählen unterschiedliche Stile und Stücke, das ist trotzdem nicht unbedingt der Punkt, ab dem Musik gespielt wird. Klaus Paier berichtet aus seiner Erfahrung mit Ensembles: „Ich schreib das dann immer um.“ Wenn etwa Duopartner Gerald Preinfalk ein Stück bringt, schaut sich Paier das zuerst auf die klangliche Spielbarkeit und Gestaltbarkeit an. Es geht für ihn nicht darum, ein Stück so zu spielen, wie es auf dem Papier steht, sondern ein geeignetes Arrangement zu erarbeiten, das insgesamt gut klingt. Klangvoll am Akkordeon phrasieren braucht Platz, der manchmal in betont virtuos angelegten, voll 32stel-Noten gepackten Kompositionen knapp wird. „Da sind dann noch einige Noten mehr, und es ist noch virtuoser, aber die Musik bleibt irgendwann auf der Strecke“, bringt Paier das auf den Punkt.

Ideale und individuelle Vorlieben

Also alles Sache des Musikers, der Musik und des Arrangements? Ganz so ist es natürlich nicht. Es gibt in der Szene, bei Veranstaltungen und in Online-​Foren reichlich Diskussionen über den perfekten Sound. Da kristallisieren sich zugleich oft individuelle Vorlieben heraus. Ein Musiker hält große Stücke auf Bugari, ein zweiter favorisiert Scandalli, ein dritter ist begeistert von Pigini, andere von Victoria, und für wieder andere ist ein Hohner Akkordeon ein Maßstab in Sachen Sound. Die Reihe lässt sich um zahlreiche Hersteller erweitern. Es wird hier kaum jemals einheitliche Sichtweisen geben. Es gibt die verschiedenen Präferenzen, und sicher so etwas wie eine inviduelle Passung zwischen Musiker und Akkordeon. Die Passung entwickelt sich vor allem zum einzelnen Modell, weniger zu einer Serie.

Denn nicht nur innerhalb der Hersteller unterscheiden sich die Modelle, sondern sogar innerhalb desselben Modells sind die meisten sicher: Jedes einzelne klingt anders. Fast alle Profimusiker wählen das einzelne nach seinen Merkmalen aus, und sie spielen sich auf eines oder allenfalls einige ein. Das heißt natürlich: Ohne Probespielen ist eine Auswahl riskant. Selbst „eine Nova“ oder „eine Gola“ zu bestellen, sagt nichts darüber, ob die einzelne Musikerin oder der einzelne Musiker das für sich optimale Akkordeon bekommt.
Individuelle Vorlieben im Sound bestätigt aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung auch Musiker Paier. Er hält auf Victoria zwar große Stücke in Sachen Akkordeonbaukunst, aber: „Der Sound ist zu dunkel für meinen Geschmack.“ Womöglich ist das etwas Dunkle ein Aspekt, der manchen überzeugten Victoria-​Spieler wie Richard Galliano und Vincent Peirani auf die Idee brachte, das Verdeck abzunehmen.

Cassotto, Stimmzungen und mehr

Paier identifiziert sich mit dem relativ hellen, klaren Pigini-​Sound mehr, er hat solche Modelle über 15 Jahre gespielt. Heute hat er sein eigenes Akkordeon, die Passion. Sie entstand nicht, wie man vermuten könnte, wegen der Suche nach dem perfekten Sound. Eine Menge Hersteller bauen Akkordeons mit gutem Klang, so der Österreicher. Für ihn war der Wunsch nach der Kombination von idealem Sound und geringem Gewicht ausschlaggebend. Für seine Bedarfe ist die Passion ideal, die allerdings eine größere Investition und einige Jahre Arbeit erfordert hat. So einen Aufwand wird kaum jemand betreiben, um das persönliche Traumakkordeon zu kreieren. „Noch mal mach ich das nicht“, sagt Paier. Er hat aus der detaillierten Auseinandersetzung mit Bestandteilen, Materialien und Bauweise ein Fazit zu wichtigen Klangfaktoren gezogen.

Ein Faktor, der allein schon etwas zusätzliches Gewicht mitbringt, war für ihn unverzichtbar und ist deswegen in der Passion ebenfalls enthalten: ein Cassotto. Da würden viele dem Musiker zustimmen. Der zusätzliche, eingebaute Holzhohlraum verändert den Sound sehr. Es ist ein zusätzlicher Resonanzraum innerhalb des Akkordeons. Ein Teil der Stimmzungen und Stimmstöcke, meist der 8- und der 16-​Fuß, sind ins Cassotto hineingebaut. Die übrigen, also der 4-​Fuß und das Tremolo, sind außerhalb des Cassottos. Insgesamt voller, wärmer, um nicht zu sagen, klangvoller, so lässt sich der Unterschied im Sound beschreiben. Deswegen ist in aufwendigeren Modellen für Profimusiker de facto immer eines dabei. Gewicht muss woanders gespart werden, bei weniger klangrelevanten Faktoren.
Ein oft zu hörender weiterer Punkt: die Stimmzungen. Sie werden durch die mit dem Blasebalg durchs Akkordeon gepumpten Luft in Schwingung versetzt, so entstehen die Töne. Hochwertige Stimmzungen sind im Sound wahrnehmbar. Musiker und Handzuginstrumentenmacher votieren für A-Mano-​Zungen, also handgefertigte. Zahlreiche der in den Modellen verschiedener Hersteller verbauten Exemplare werden von Fachleuten im italienischen Castelfidardo angefertigt, wenn auch natürlich nicht alle. Es gibt heutzutage einige internationale Hersteller, die in hoher Qualität fertigen. Im Bereich der A-Mano-​Stimmzungen gibt es weitere abgestufte Qualitäten. Was den Unterschied zu maschinengefertigten Varianten ausmacht: Sie passen genauer auf die metallische Trägerplatte, durch die Luft hindurchgeht. Dadurch sprechen die Zungen besser an, das verbessert den Sound.

Ein Gesamtkunstwerk

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