Ensemble Shtetl, Dominik Gerhard
Der Komponist Hans Samuel
Der Musikverlag augemus beschäftigt sich in einigen der dort veröffentlichten Alben mit jiddischer Musikkultur. Oft gibt es parallel dazu eine nähere Auseinandersetzung mit dem Leben jüdischer Menschen und Musiker. So ist es auch bei dieser Aufzeichnung. Im Mittelpunkt steht der jüdische Komponist Hans Samuel, von dem zwei Werke einspielt wurden. Den Rahmen boten die 5. Jüdischen Kulturtage Rhein-Ruhr 2019 in Essen, bei denen die Musik live mit aufgezeichnet wurde. Am Akkordeon ist im Ensemble Shtetl Ralf Kaupenjohann zu hören, zugleich Inhaber des Musikverlags. Bis auf einige melodische Passagen ist das Akkordeon hier sehr in den Ensemblesound integriert. Gesang, Kantorenstimme und Flöte stehen oft im Vordergrund.
Hans Samuels Biografie führte ihn von Essen wegen der Naziverfolgung, der seine Eltern zum Opfer fielen, mit seiner Schwester ins Exil nach Israel. Von dort ging er schließlich in den 1950er- und 1960er-Jahren sogar auf einige Tourneen und trat dabei in Deutschland auf. Samuel hatte es sich früh zur Aufgabe gemacht, insbesondere Orgelmusik in der jüdische Liturgie zu etablieren. Er wollte einen eigenen Stil dafür finden. Die Sephardic Cantata, hier eingespielt vom Ensemble Shtetl, ist eines seiner so entstandenen Werke. Es hat traditionelle, folkloristische, zeitgenössische und sogar jazzige Einflüsse, einen teils düsteren, dramatischen, teils andächtigen, meist erzählenden Charakter. Dem Zuhörer scheint, als würden hier mit Stimme, Gesang und Musik emotional aufgeladene Szenen interpretiert.
Der Orgel ist indes die Pentatonic Toccata gewidmet, die hier Dominik Gerhard eingespielt hat. Diese beginnt mit einer klassisch anmutenden, reflektierten Melodie, wandelt sich zu einem kontrastreichen, verschlungenen und vereinzelt aufbrausenden Weg über disharmonische Pfade, bis zu einer weiteren ruhigeren, harmonischen Passage. Das Album ist eine ungewöhnliche Aufzeichnung, die besonders für Orgelfans und an moderner, jiddischer Komposition und Liturgie Interessierte spannend sein dürfte.
augemus, 2019
Text: Christina M. Bauer Fotos: Nils Imhorst, Dominik Gerhard