„Sei darauf vorbereitet, unvorbereitet zu sein“ - Cory Pesaturo
„Wann immer ich dein Spiel gehört habe, war ich davon inspiriert, wie viel Können, Talent und Herzblut darin steckt“, dankte Präsident Bill Clinton 2009 Cory Pesaturo nach einem Konzert im Weißen Haus. Im selben Jahr gewann Cory den ersten von insgesamt drei ersten Preisen bei internationalen Wettbewerben. Er arbeitet pausenlos daran, an der Spitze einer Akkordeonbewegung zu bleiben. In einem zweistündigen Videointerview sprach er im April von Rhode Island aus über besondere Begegnungen, große Ziele, Hanonfingersätze und die Coronapandemie. Dazu gab er Übetipps und Ratschläge, wie man es als freiberuflicher Künstler schaffen kann.
Interview und Text: Matthias Matzke, Fotos: Tony Riccio, Cory Pesaturo
- Cory, du kommst viel herum und hast schon mit zahlreichen großen Musikern gespielt. Kannst du uns fünf berühmte Namen nennen, und was besonders daran war, sie zu treffen?
Johnny Depp, Lady Gaga, die Jazz Ikone Wynton Marsalis, Red Bull Pilot Daniel Ricciardo und die Jazz Legende Quincy Jones. Den Auftritt bei der Late Night Show von David Letterman mit Johnny Depp findet man auf YouTube. Über Wynton Marsalis kann ich einige Geschichten erzählen. Quincy Jones stand mit mir auf der Bühne, aber ähnlich wie mit Lady Gaga war das Besondere für mich, bei ihm zu Hause gewesen zu sein und ihn näher zu kennen.
- Wie kommt man mit Lady Gaga in Kontakt?
Wir haben beide italienische Wurzeln und kommen aus ähnlichen Kreisen. Ich kann ihre Hits spielen, das ist ein Aufhänger. Lady Gaga versteht tatsächlich eine Menge von Musik. Sie ist im Jazz zu Hause und wenn ich anfange zu improvisieren, gefällt es ihr und wir driften schnell ab vom Mainstream.
- Erzähl uns etwas von fünf Konzerten, die für dich besonders waren.
Ich war zwölf und hatte meinen ersten großen Gig. Gemeinsam mit Myron Floren, der Galionsfigur des Akkordeons in Amerika, war ich zu Gast in der Lawrence Welk Show. 15 Minuten hätte ich spielen sollen, doch Myron wurde krank und es wurde spontan eine halbe Stunde. Ohne Vorbereitung hab ich es bis zur Schlussnummer durchgehalten. Und stell dir vor, wie es ist, plötzlich einen Auftritt mit der Band deiner Kindheit zu spielen! Das war mit Galactic, der ersten Band, bei der ich früher auf Improvisationen und Soli geachtet habe. 2019 fand das letzte Sergio Franchi Memorial Concert statt. Der Dirigent erkannte meine Spontanität und ließ mir beim ungarischen Tanz sehr viele Freiheiten. Als ich das Tschaikovski Violinkonzert einmal mit Sinfonieorchester aufgeführt hab, war das vor all den Streichern wie ein heiliger Gral. Und der Primus Ikaalinen in Finnland war für mich sehr besonders, denn ich habe untypischerweise bei einem internationalen Wettbewerb improvisiert.
- Waren das deine nervösesten Auftrittserlebnisse?
An erster Stelle steht tatsächlich die Begegnung mit Wynton Marsalis. Erst traf ich einen Percussionisten, dann saßen wir eines Abends in New York und es wurde immer später. Nach zwei Uhr morgens kamen wir in Wyntons Haus an. Ich saß an einem kleinen Tisch mit einem Schachbrett und plötzlich stand Wynton mit Trompete dort. Wir spielten Schach, während er gleichzeitig erzählte, mit einer Freundin telefonierte und eine Etüde auf der Trompete übte. Irgendwann meinte der Drummer: „Hol das Akkordeon!“. Ich war nie angespannter. Ein anderes Mal war bei den National Accordion Championships. Mein Ziel war, als jüngster Champion in die Geschichte Amerikas einzugehen. Ein weiteres Erlebnis war beim Coupe Mondiale, nicht als Wettbewerbsteilnehmer, sondern in einem Abendkonzert gemeinsam mit Renzo Ruggieri und Ludovic Beier. Als Gewinner der damals neuen Kategorie für Digitalakkordeon hatte ich ein starkes Bedürfnis, meinen Stand zu rechtfertigen. Ich wollte spielen, als ob jeder beliebige große Akkordeonist in meiner Konkurrenz gewesen wäre. Die Fassung von All the Things You Are, die ich unter diesem Druck improvisiert habe, ist für mich die Referenz meines Könnens. Tatsächlich habe ich noch eine Geschichte zu einem früheren Versuch beim Coupe Mondiale. Da bin ich in der Kategorie für Klassik angetreten und war derart nervös, dass ich im dritten Stück einen Blackout hatte. Und doch war die Teilnahme bei diesem Wettbewerb wichtig für mein ganzes Leben. Ich habe im Rahmen meiner Teilnahme Alexander Poeluev spielen hören und das hat meinen Blick darauf, was mit dem Akkordeon möglich ist, verändert. Beim Tschaikovski Violinkonzert war ich kurz davor, den Dirigenten anzuflehen: „Lass uns nur die Zugabe spielen!“. Der Auftritt war ein Blindflug.
"Ich wollte spielen, als ob jeder beliebige große Akkordeonist in meiner Konkurrenz gewesen wäre."
- Ich höre eine Begeisterung für Adrenalinkicks und Rekorde bei dir heraus. 2017 hast du einen Weltrekord im Dauer-Akkordeon-Spielen aufgestellt. Wie lange war das?
Über 32 Stunden. Es war hart, aber ich wusste, ich muss es tun.
- Was bedeuten dir Rekorde?