Rudolf Würthner

Der Meister des großen Klanges

 

Rudolf Würthner

 

Rudolf Würthner zum 100.Geburtstag: Unser Autor berichtet über seine ersten Begegnungen mit der Musik des namhaften Komponisten, Akkordeonisten und Dirigenten – und wie diese ihn bis heute begleitet.

Text: Andreas Hermeyer Fotos: Andreas Hermeyer, Archiv Andreas Hermeyer, Archiv Familie Würthner

Es war nicht allein Rudolf Würth­ners 100. Geburtstag, der mich am 2. August 2020 nach Trossingen führte. Es gab noch ein anderes Jubiläum zu feiern, die 40-jährige Freundschaft mit meinem damaligen Kommilitonen Thomas Svechla, die auf den Tag genau vor 40 Jahren in Trossingen begann. Das wir uns diesen Termin für ein Wiedersehen ausgesucht haben, hatte natürlich auch mit Rudolf Würthner zu tun.

Ein Konzert zum Jubiläum

Matthias, der Sohn Würthners, spielte an diesem Tag zusammen mit seinem Duo-​Partner Gerard Deleye ein fantastisches Konzert, das auf Initiative des Deutschen Harmonika Museums stattfand. Gewürzt mit Informationen und Anekdoten aus Würthners Leben erlebte das Publikum ein Duo, das an Bravour, Spritzigkeit und Spielfreude nichts zu wünschen übrig ließ. Das Repertoire umfasste selten gehörte und weniger bekannte Stücke. Sie erwiesen sich als dennoch sehr hörenswert und für die Entstehungszeit Ende der 1940er-Jahre ausgesprochen modern klingend. Eine Sonderausstellung zum Thema Rudolf Würthner rundete den besonderen Vormittag ab. Sie ist bis Mitte September zu sehen.

Mit Rudolf Würthner zum Akkordeon

Als Jüngling war das Akkordeon war für mich ein Volksinstrument, gerade gut genug, Menschen in fröhliche Stimmung und gute Laune zu versetzen. So dachte ich als jemand, dem es von seinen Eltern auferlegt wurde, dieses Instrument zu erlernen. Widerwillig fügte ich mich meinem Schicksal und besuchte den Unterricht der nahe gelegen Kreismusikschule. Ich sollte (zunächst) Recht behalten: Das Akkordeonspiel taugte zu nichts weiterem als billigem Tingeltangel. Das jedenfalls suggerierte mir mein erster Akkordeonlehrer, der – eigentlich Klarinettist – mit seinem kleinen Instrument nicht mehr als einige terzenselige Walzermelodien zustande brachte und mich mit Hans Lüders’ Akkordeonschule quälte.

Nach einem Jahr kam ein neuer Lehrer. Ich wollte die Gelegenheit wahrnehmen, mich vom Unterricht abzumelden. Meine Eltern verlangten allerdings, ich solle den Neuen wenigstens mal kennenlernen. Also ging ich in den Unterricht. Was ich in der ersten Stunde dort erlebte, hat mein weiteres Leben sehr beeinflusst! Mein Lehrer Josef Röttger spielte mir etwas vor, auf einem Akkordeon, dass ich nie zuvor gesehen hatte. Es handelte sich um eine Morino VM der Trossinger Firma Hohner.
Ich war ganz fasziniert von dem so schön aussehenden und toll klingenden Instrument, aber noch mehr von dem, was er darauf spielte. Es war die Ball-​Szene von Joseph Hellmesberger in der Akkordeonbearbeitung von Rudolf Würthner. Was das für ein Stück sei, wollte ich also wissen. Die Antwort war: „Wenn du fleißig übst, kannst du das eines Tages auch spielen. Wenn du soweit bist, bringe ich dir das Notenheft mit, in dem es steht.“ Von diesem Tag an übte ich fleißig, weinte über jede Stunde, die aus Krankheits- oder anderen Gründen ausfiel, und war jedes Mal todtraurig, wenn mein Lehrer seine Morino nicht dabeihatte.
Und eines Tages war es so weit: Er brachte mir das lang ersehnte Noten­album! Es war mittlerweile ziemlich abgegriffen und zerfleddert.

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