Weltklasse-Akkordeon aus Slowenien: Neza Torkar
Die Liste internationaler Erfolge und Auszeichnungen der erst dreißigjährigen Slowenin Neza Torkar ist lang. Außerdem erspielte sie sich an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar die Konzertreife mit Auszeichnung und absolvierte beide Vorspiele statt im Zeitraum von einem Jahr in unglaublichen zwei Wochen. Was steckt hinter der jungen Powerfrau und was treibt sie an? Woher kommt ihre Begeisterung für die Neue Musik? Und wie schafft sie es, Unterricht, Konzertreisen als Solistin, im Duo oder Ensemble und seit Neuestem ihren Job als Geschäftsführerin eines Hotels unter einen Hut zu bekommen? Unser Autor hat in einem detaillierten Interview mehr über die talentierte Akkordeonistin erfahren.
Text: Detlef Gödicke Fotos: Nik Bertoncelj, Dominik Cˇepon, Caren Pauli, Luka Vabicˇ, PIF Castelfidardo, Ksaver Sinkar, Anže Grabeljšek, Maja Pernuš
- Frau Torkar, wie geht es Ihnen gerade?
Es geht mir wieder gut. Im letzten Jahr habe ich meine Aktivitäten wohl etwas übertrieben und in der Folge durchlebte ich Mitte Februar dieses Jahres einen Zusammenbruch, nennen wir es angelehnt an die aktuellen Ereignisse einen „persönlichen Shutdown“.
- Wie haben Sie sich aus der Krise geholfen?
Ich fuhr zu meinen Eltern nach Slowenien und ließ mein Akkordeon fast zwei Monate in der Ecke stehen. Die Coronakrise gab mir zusätzliche Zeit, mich zu entschleunigen. Obendrein durfte ich eine Zeit lang sowieso nicht wieder nach Deutschland einreisen. Meine Unterrichtstätigkeit an zwei Musikschulen verschob ich zunächst Woche um Woche und habe sie mittlerweile ganz aufgegeben.
- Sie betreiben in Eberstedt bei Weimar einen Hotel- und Gastronomiebetrieb. Erzählen Sie davon.
Ich half meiner ebenfalls aus Slowenien stammenden Partnerin Maja Pernus seit drei Jahren in ihrem Hotel Am Markt in Eckartsberga bei organisatorischen Dingen und spielte des Öfteren dort Konzerte. Seit April haben wir nun die historische Ölmühle in Eberstedt gemeinsam gepachtet und freuen uns auf viele Gäste, gern aus der Akkordeonszene.
- Für den 13. September haben Sie sogar Saso Avsenik und seine Oberkrainer gebucht.
Ja, die Band kommt wie Maja und ich aus Slowenien und Saso ist der Enkel des berühmten Slavko Avsenik. Das Konzert findet Open Air auf unserem Gelände statt, selbstverständlich unter Berücksichtigung aller Hygienevorgaben in der dann geltenden Form unseres Bundeslandes Thüringen.
- Sie spielen mit Begeisterung Werke der Neuen Musik. Der Zugang ist besonders für Zuhörer nicht immer leicht. Kann man damit als Akkordeonistin Geld verdienen?
Das funktioniert sogar recht gut. Kulturförderer, ob private, staatliche oder Stiftungen aus der Wirtschaft unterstützen zeitgenössische Komponisten und helfen finanziell bei Uraufführungen. Die Ernst von Siemens-Stiftung ist ein Beispiel.
- Kommen die Komponisten zu Ihnen oder sprechen Sie diese an?
Ich bin Mitglied im fünfköpfigen Ensemble Via Nova. Über dem Ensemble steht als Dachorganisation ein Verein namens Via Nova Zeitgenössische Musik in Thüringen e.V. Der Vorsitzende Johannes K. Hildebrandt gründete diesen Verein 1998 und hat beste Kontakte in die Musikszene der Neuen Musik. In Weimar findet jährlich ein Festival für zeitgenössische Musik statt, die Weimarer Frühjahrstage. Unser Ensemble spielt traditionell das Eröffnungskonzert. Dann findet ein internationaler Komponistenwettbewerb statt. Die für unsere Besetzung geschriebenen Kompositionen, die im Wettbewerb die ersten Plätze erreichen, dürfen wir nachher uraufführen.
- Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Komponisten?
Sehr gut. Wir bekommen neben den Noten eine Audioaufnahme ihrer Werke, meist eine vom Computer gespielte Simulation. Von unserer Interpretation sind die Komponisten oft völlig begeistert, da sie ihr Werk zum ersten Mal auf echten Musikinstrumenten von Menschen gespielt hören.
- War schon das Gegenteil der Fall?
Das ist vorgekommen, ist allerdings glücklicherweise die Ausnahme (lacht).
- Und wie nimmt das Publikum diese Werke auf?
Bei unseren Konzerten weiß das Publikum, auf was es sich einlässt. Viele bereiten sich auf das Konzert vor und sind hochkonzentriert bei der Sache. Die Gäste wissen, dass diese Musik nicht einfach zu verstehen ist. Mir macht die Arbeit in dem Ensemble darüber hinaus einfach eine Menge Spaß. Wir spielen zu unterschiedlichsten Anlässen und in verschiedenen Besetzungen.
- Spielt das Akkordeon in der Neuen Musik eine wichtige Rolle?
In jedem Fall. Oft kennen junge Komponisten die vielfältigen Möglichkeiten des Akkordeons nicht und sind positiv überrascht, wenn sie erfahren, was dieses faszinierende Musikinstrument alles mitteilen kann. Einige schreiben leider in der Folge derart anspruchsvolle Sachen, dass man dafür wirklich sehr viel üben muss.
- Machen Sie Muskeltraining?
Ja, ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio, trainiere Kraft und Ausdauer. In den vergangenen Monaten machte ich das mit Gewichten zu Hause, die Studios waren ja nicht geöffnet.
- Hat Sie ein Werk schon mal an die physische Leistungsgrenze gebracht?
Das ist mir tatsächlich einmal passiert. Beim Arrasate-Hiria-Akkordeonwettbewerb in Spanien im Dezember 2017 wurde von den Teilnehmern ein Pflichtstück namens Tres Nocturnos von Francisco Jose Dominguez verlangt. In den ersten sieben Minuten besteht die Balgarbeit ausschließlich aus Bellow Shake und Ricochet mit Passagen, in denen nur das Klappern des Balges zu hören sein darf, Töne dagegen nicht. Man muss den Balg etwas öffnen und mit der linken Hand die richtige Position suchen, sonst funktioniert nichts und die Aufführung wird zum Albtraum.
- Wussten die Organisatoren des Wettbewerbs von dieser Höchstschwierigkeit?