Ira Shiran

Ira Shiran

Halva

Interview/Text: Christina M. Bauer Fotos: Omer Messinger, Niko Himschoot

Ira Shiran wuchs in Israel auf. Er studierte Musik in Jerusalem an der Israeli Arts and Science Academy sowie an der Rubin Academy of Music (heute: Jerusalem Academy of Music and Dance). Der Akkordeonist arbeitete als Solist für Sinfonieorchester und Theater, darunter das Habimah National Theater in Tel Aviv. Er hat verschiedentlich eigene Musik komponiert. Seit 2016 lebt der Künstler in Berlin. Zu seinen aktuellen Ensembles zählt die um Violinist und Komponist Nicolaas Cottenie formierte Band Halva, die jiddische Lieder und Klezmer mit den Traditionen verschiedener Kulturen, etwa aus Griechenland, der Türkei und Bulgarien, verknüpft.

Ira Shiran über das Akkordeon und die Musik von Halva:

  • Du hättet alles tun, und alles spielen können, warum Akkordeon?

Die schlichte Antwort ist, ich erinnere mich nicht. Meine Mutter sagt, ich wollte Schlagzeug spielen. Da ich dafür etwas jung war mit acht Jahren, bot sie mir an, dass ich bei dem neuen Lehrer, der kurz zuvor in unsere Gegend kam, mit Akkordeon anfange und nachher wechsele. Ich denke, ich werde wohl nicht mehr wechseln.

  • Was ist die Funktion des Akkordeons in der Musik von Halva?

Das Akkordeon ist Teil der Rhythm Section, zusammen mit Eline Duerincks Cello und Robbe Kieckens Percussion. Ich sehe meine Funktion vor allem darin, eine stabile rhythmische Basis zur Verfügung zu stellen, auf der Harmonie und Melodie stehen können. Zusätzlich muss ich eine perfekte Vertrautheit mit der Harmonie haben, damit ich sinnvoll mit den Linien des Cellos interagieren kann, entweder indem ich sie dopple, oder indem ich einen Kontrapunkt zur Verfügung stelle. In der rechten Hand spiele ich meist Harmonie mit Blick auf natürliche, sanfte Stimmführung, und manchmal melodische zweite Stimmen oder Kontermelodien.

  • Wie viel von deiner frühen musikalischen Sozialisation ist in dieser Musik?

Während ich eine klassische Basis habe, kommt die Musik, die ich meist spiele, aus den Balkanländern (vor allem Bulgarien, Rumänien und Mazedonien). Halvas erstes Album, bei dem ich nicht mitspiele, ist mehr im Klezmer verankert. Es teilt Merkmale der Musik, die ich spiele. Klezmer ist in Israel nicht so verbreitet wie man denken könnte. Das zweite Album, das in einigen Monaten erscheint, Dinner in Sofia, zeigt ein breiteres Spektrum von Einflüssen auf die Musik unseres Komponisten Nicolaas. Einige Stücke sind beeinflusst von Balkanmusik, etwa durch ungerade Metren und eine andere harmonische Sprache. Andere Stücke leiten sich her von griechischer oder arabischer Musik. Beide teilen Eigenschaften des Balkanstils, vor allem wegen der byzantinischen, nachher ottomanischen Präsenz in diesen Gegenden über die Jahrhunderte.

  • Wie wird das Akkordeon von den Menschen in deiner Heimat Israel wahrgenommen?

Seit der Gründung war Akkordeon in Israel über Jahre ein wichtiges und sehr präsentes Musikinstrument. Es wurde dort hingebracht von Einwanderern aus Russland, Polen und Rumänien, und war gegenwärtig in Liedern, die in den 1940ern bis 1960ern entstanden, in zivilen und militärischen Bands. Die waren wichtig im kulturellen Leben des jungen Landes. Ab den 1970ern bis vor Kurzem haben neuere Stile westlicher Musik wie Rock, Jazz und andere das Akkordeon verdrängt bis zu dem Punkt, wo es obsolet wurde und ein Symbol altmodischer Musik. In den letzten zwei Jahrzehnten wird es aber durch die weltweite Verbreitung dessen, was wir Weltmusik nennen, in Israel wieder beliebter. Es wird auf eine neue Art präsentiert, teilweise dank einer jüngeren Generation neuer Spieler, die über das Internet weltweit vernetzt sind und das enorme technische und ausdrucksmäßige Potential des Akkordeons umsetzen möchten.

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