Europäisch feminin: Die Quetschenweiber
Die Quetschenweiber aus München feiern dieses Jahr ihr 15-jähriges Jubiläum. Eine muntere Combo von Frauen ist das, die sich mit Walzer, Musette, traditionellen Liedern, Tango und mehr im Gepäck um Musikerin und Komponistin Michaela Dietl scharen. Meist heiter, manchmal melancholisch und gern auch politisch engagiert changieren sie mit ihrem Repertoire zwischen Straßenfest, Taverne, Bürgerhaus und gelegentlich sogar Konzertsaal. Als "die" Musikerin im Bunde schreibt Dietl für Film und Theater, Ensembles und Orchester, tritt bei Lesungen auf, hat mehrere Alben und eigene Notenhefte veröffentlicht. Die Quetschenweiber gemeinsam mit ihren engagierten Hobbyspielerinnen sind für sie trotzdem etwas Besonderes. Da wird begeistert geübt, gespielt und improvisiert, und wenn mal keine realen Reisen durch Europa möglich sind, reisen sie jedenfalls musikalisch.
Text: Christina M. Bauer; Fotos: Aniela Adams, Christina M. Bauer, Leopold Jonas
Acht Frauen, sechs Akkordeons, eine Violine, ein Saxofon, Gesang und reichlich Sonne: Im Münchner Stadtteil Giesing im Osten der Stadt spielen die Quetschenweiber auf. Es ist Anfang Juni, und nach einer Zwangspause von einem Vierteljahr der erste Auftritt des Ensembles. Die muntere Combo hat Lieder mit kulturellen Einfärbungen aus vielen Ecken Europas dabei, von Frankreich über Italien bis Griechenland. Einen großen Teil dieser Songs schreibt Musikerin und Ensembleleiterin Michaela Dietl selbst. Die zirka vierzig Gäste des kleinen Open Air-Konzerts zeigen sich ausgesprochen angetan, fordern Zugaben ein, und einige tanzen. Es scheint, als wären viele von ihnen genauso froh wie die Band, dass endlich wieder Musik gespielt wird.
Der Rahmen ist eine lokalpolitische Veranstaltung des Vereins HeimatGiesing. Der setzt sich seit 2017 jeden Monat mit einer Mahnwache dafür ein, dass das damals von einem Tag auf den nächsten abgerissene "Uhrmacherhäusl" originalgetreu wieder aufgebaut werden soll. Wer wofür verantwortlich oder zuständig sein soll, darüber wird in der Stadt bis heute von den Beteiligten gestritten. Es scheint so, als würde es noch einige Mahnwachen geben, und manche werden sogar musikalisch begleitet. Die Quetschenweiber musizieren bei Weitem nicht nur, aber gern auch dort, wo es um politische oder gesellschaftliche Themen geht.
Erst im März, kurz vor dem Lockdown, haben sie mitgemischt bei einer Aktion in München für Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Im Herbst werden sie bei einer Veranstaltung gegen Gewalt an Frauen auftreten. Und hier, beim "Uhrmacherhäusl", kurz nach dem Lockdown, darf wohl ergänzt sein, dass abgesehen von dem politischen Anliegen ein Auftritt nach drei konzertfreien Monaten sowieso höchst willkommen ist. Davon lässt sich Ensembleleiterin Dietl nicht mal vom wegen einer nur zwei Wochen alten Verletzung einbandagierten Handgelenk abhalten.
15 Jahre Quetschenweiber
Es ist ein Jubiläumsjahr, 15 Jahre gibt es die Quetschenweiber. Denn 2005 hat Michaela Dietl die Frauencombo initiiert. Wobei, so wie sie das beschreibt, ist die fast von selbst entstanden. "Die meisten sind frühere oder aktuelle Schülerinnen von mir", sagt die Künstlerin über ihre Mitspielerinnen. Sie musizieren nebenbei, als Ausgleich zu den unterschiedlichsten Berufen oder zur Pension, das allerdings auf gutem Niveau, mehrstimmig am Akkordeon, mit Gesang und oftmals mit improvisierten Teilen. Einige waren oder sind in kreativen Berufen tätig, etwa als Filmproduzentin, Maskenbildnerin oder Kunstlehrerin, andere wiederum in der Wirtschaft oder anderswo.
Dietl selbst ist "die" Musikerin und der Energiepol im Bunde, sie unterrichtet, schreibt zahlreiche Songs, tritt als Solistin und mit Ensembles auf. Musik geschrieben hat sie in den letzten Jahren für Ensembles und Akkordeonorchester, Theater und Film. Für Besetzungen mit den Quetschenweibern sowie Streichern, Sängern und weiteren Profimusikern hat sie ebenfalls schon größere Bühnenwerke verfasst, die in München und Umgebung vorgetragen wurden. Da waren etwa die Sinfonia Fantasia und das Requiem. Eine Menge Aufwand, doch für alle in der Band sind diese Konzerte bis heute ein Highlight.
Vor Jahrzehnten hat die im niederbayerischen Landshut aufgewachsene Künstlerin Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert. Die Musik zog sie dann aber bald so in ihren Bann, dass sie diese zu ihrem Lebensmittelpunkt machte. Dass sie sich Inspiration und Ideen "von der Straße" holte, ist in ihrem Fall wörtlich zu verstehen. Sie reiste viel, sah sich vor allem die Regionen Süd- und Westeuropas an, setzte sich mit den dortigen Liedern, der Gesangs- und Musikkultur auseinander. Bis heute haben diese Erfahrungen Einfluss darauf, welche Songs sie schreibt. Es sind oft einfache, eingängige Melodien, von denen einige ohne Weiteres als Volkslied durchgehen würden. Dazu spielt sie Akkordeon, und im Ensemble werden die Arrangements meist dreistimmig oder bisweilen vierstimmig. Das Spielen zu mehreren hat für Dietl nicht nur, allerdings auch deswegen, einen besonderen Reiz. "Ab der zweiten Stimme beginnt die Musik", fasst sie das in Worte.
Natürlich haben ihre Lieder dann meist drei oder vier Stimmen. Dass ihre Schülerinnen sich eine nach der anderen fürs gemeinsame Proben über Einzelstunden hinaus, und schließlich fürs Auftreten begeistern konnten, erwies sich als ideale Fügung. Zwar gab es immer wieder Wechsel in der Besetzung, doch das Ensemble gibt es bis heute. Es sind außer Dietl zwei weitere Frauen der ersten Stunde mit von der Partie, Monika Straube und Andrea Hillen.
Wege ins Ensemble