Grock: Der berühmte Clown und seine Musik: Kapitel: Das Leben in der Manege

Nach einem Konzert des Schrammel-Quartetts wird Adrien von einem Zuschauer namens Alfred Prinz angesprochen, der Clown ist und einen Partner sucht. Schon nach wenigen Tagen treten die beiden gemeinsam unter dem Namen «Alfredianos» in Nagy Farod auf, aber die Tournee ist nicht von langer Dauer. Im eisigen Winter 1900 schlägt sich Adrien in Ungarn als Klavierstimmer durch und tingelt anschließend durch verschiedene Etablissements von Belgrad bis Konstantinopel. Zurück in Budapest wird er vom Zirkus Krateily engagiert, aber 1902 von Alfred Prinz sitzen gelassen, da dieser heiraten und künftig lieber mit seiner Frau arbeiten will.

Als ihn auch sein nächster Partner mitten in einer Deutschland-Tournee verlässt, bewirbt sich Adrien auf eine Anzeige: «Junger Mann, der Geige spielen und springen kann, für musikalische Clown-Nummer gesucht.» Als Spaßmacher und Akrobat in Frankreich. Der Zirkus «Bureau Frères» schickt ihm auf seine Bewerbung hin sogleich das Reisegeld nach Frankreich. Kaum in Lyon und im Zirkus eingetroffen, geht Adrien mit Achille Conche in die Manege, wo sie Geige spielen und dazu akrobatische Kunststücke zeigen.Adrien Wettach muss bald feststellen, dass Conche an einer Hirnkrankheit leidet. Nach einem von seinem Partner verursachten Sturz zieht er es vor, zum Zirkus der Gebrüder Barazetta zu wechseln, obwohl er sein
Nachtlager in einer Gerätekiste einrichten muss, weil für ihn in den Wohnwagen kein Platz mehr ist.

Als er im Sommer 1903 Direktor Schmid vom «Schweizer Nationalzirkus» kennenlernt, wird er gleich von ihm engagiert. Aber nicht etwa als Künstler, sondern als Kassierer! Neben seiner Arbeit trainiert er jedoch unverdrossen und fleißig weiter. Als ihn Direktor Schmid eines Tages beobachtet, stellt er Adriens artistisches Talent und Können fest, sucht für ihn sogleich einen Partner und findet ihn in Marius Galante.


Adrien Wettach wird Grock
Galante, ein in Marseille geborener Italiener, kommt gerade aus dem Militärdienst. Vorher hatte er mit einem Spanier zusammen als «The Brik’s and Brok’s, Originals Comic’s» gearbeitet und möchte den Namen behalten, der ihm Erfolg gebracht hatte. Aber Adrien weigert sich, als «Brok» aufzutreten. Auf der Suche nach etwas Ähnlichem geht er im Alphabet nur fünf Buchstaben
weiter: «Grock» mit «ck»! In der zweitausend Jahre alten römischen Arena von Nîmes treten sie am 1. Oktober 1903 zum ersten Mal als «Brick & Grock, Musical- und Comedien-Excentrics» auf, als musizierende Spaßmacher und Akrobaten. Beide mit weiß geschminkten Gesichtern und in bunt karierten Pluderhosen, unterscheiden sie sich kaum von Dutzenden anderer Clowns. Adrien, mit roter Perücke und Bart in der Rolle des «Cascadeurs», zeigt seine Kunststücke auf Leitern, Stühlen oder auf den Schultern seines Partners.
Zuerst mit dem National-Zirkus von Direktor Schmid, später dann wieder mit dem Zirkus Bureau durchquert er mit Brick ganz Europa. Ende 1904 haben «Brick & Grock» ein erstes Engagement im berühmten Pariser Zirkus «Médrano», für Artisten eine der besten Adressen der Welt. Auch wenn sie jeweils am Anfang der Vorstellung auftreten, während die großen Attraktionen
erst gegen Schluss des Abends folgen, ist dies für die beiden ein schöner Erfolg.
Während dieses Engagements entstehen am 4. Dezember 1904 auch Aquarelle der «Soeurs Vesque». Die beiden Schwestern arbeiten als Porzellan-Malerinnen in Paris, doch in ihrer Freizeit verbringen sie viele Stunden im Zirkus «Médrano» und zeichnen während Jahrzehnten viele namhafte Artisten, die dort auftreten.

Der musikalische Pausenclown
1906 reisen Brick & Grock nach Buenos Aires, um ihre Nummer im Vorprogramm des Theaters St. Martin zu zeigen. Die Stars dort sind die Clowns «Antonet und Little Walter» von denen Grock schon viel gehört hat: Antonet im glitzernd weißen Gewand, Walter als dummer August mit grüner Perücke und seinen Stiefeln, setzen für Grock neue Maßstäbe. Im Theater St. Martin bekommt Grock die Chance, zwischendurch als Pausen-Clown aufzutreten. Und was er da an kurzen musikalischen und akrobatischen Einlagen mit Klarinette, Gitarre, Xylophon, Geige, Konzertina und Querflöte zeigt, begeistert nicht nur das Publikum, sondern beeindruckt auch den berühmten Antonet, der ihn gleich anspricht und ihm vorschlägt,
mit ihm in Zukunft gemeinsam aufzutreten.

Antonet, Grocks großer Lehrmeister
Nachdem Brick und Grock, aber auch Antonet und Little Walter getrennte Wege gehen, treffen sich Grock und Antonet ein halbes Jahr später in Marseille, wo sie sich sofort an die Arbeit machen: Antonet, aus einer italienischen Artistenfamilie stammend, spielt den weißen Clown als Figur des Rationalen und Seriösen, Grock als August ist das Symbol für das Irrationale und Verspielte. Viele Nummern kommen noch aus Antonets Fundus mit Little Walter, doch nach und nach entwickeln sie neue Elemente. Schon ihr erster gemeinsamer Auftritt in Marseille ist ein großer Erfolg. Ein gutes Omen für die bevorstehende Tournee in Spanien: auch dort, in einem der Ursprungsländer der Clownkunst, jubelt ihnen das Publikum zu.

Als Toreador und Don Tancredo in der Stierkampfarena
In Spanien treten sie auch in Stierkampfarenen auf, oft vor 20.000 Zuschauern. Mit Antonet erlebt Grock zum ersten Mal die berauschenden und beflügelnden Reaktionen der Massen, ihr Lachen, den tosenden Applaus, die stehenden Ovationen.
Einmal bereichern die beiden Artisten ihren Auftritt in einer Arena mit einem echten Stierkampf: Antonet, früher selbst mal Toreador, will dem Stier im Clowngewand entgegentreten, Grock soll den «Don Tancredo» spielen. Ein «Don Tancredo» stellt sich hin und lässt den wütenden Stier seelenruhig auf sich losstürmen. Wenn er sich absolut nicht bewegt, stoppt der Stier
nämlich dicht vor ihm, in der Annahme, hier stünde so etwas Ähnliches wie ein Baum. Grock besteht diese Mutprobe mit Bravour und zeigt der jubelnden Menge noch andere komische Einlagen mit dem Stier. Am Schluss der Vorstellung werden die beiden von Begeisterten geschultert und aus der Arena getragen.

Viele Liebschaften, eine echte Freundschaft
Adrien ist ein Schürzenjäger; es gibt kaum einen Ort, an dem er ankommt und nicht gleich eine attraktive Frau entdeckt. Doch keine Romanze ist von Dauer, immer geht die Reise weiter, in eine andere Stadt, vor ein anderes Publikum. Im Herbst 1907
verliebt er sich während einer Südamerika-Tournee in Buenos Aires in eine italienische Sängerin, die 17jährige Inès Della Casa. Doch diese Episode endet besonders turbulent, als sich herausstellt, dass die blutjunge Schöne bereits mit 16 Jahren
von ihren Eltern mit einem älteren Artisten verheiratet worden war. Kurz darauf lernt Adrien in Frankreich die Artistin Louise Bullot aus Paris kennen, und von nun anbegleitet ihn die kleine mollige «Loulou», die selber nicht mehr auftritt, auf all seinen Reisen. Die humorvolle, fröhliche und liebenswerte Gefährtin kocht und isst gern und ist auch bei Adriens Kneipenbesuchen nach Vorstellungsende oft dabei.

Mit Grocks Erfolg wächst auch sein Vermögen
Grock entwickelt sich zu einem cleveren Geschäftsmann, er verhandelt hartnäckig und unnachgiebig mit den Zirkusdirektoren und verlangt mehr und mehr Gage. Er und Antonet werden immer reicher. 1909 ist Grock der erste Artist in Paris, der für sich ein Automobil – Marke «Grégoire» – kauft. Es kostet ihn ein Vermögen, eignet sich aber besonders gut, um groß anzugeben.
Als erstes fährt er beim Zirkus «Médrano» vor, wo er sich im neuen Gefährt mit Loulou und einigen Freunden fotografieren lässt.
Aber er kann sich auch die Erfüllung eines anderen Traumes leisten: Er 60 erwirbt für seine Eltern, die nun allein und immer
noch in sehr bescheidenen Verhältnissen in Biel leben, ein kleines Haus in Parc Saint-Maur, einem Pariser Vorort, kommt für ihren Unterhalt auf und besucht sie oft.

Die Geburt einer neuen Idee
Grock ist nun ein berühmter Zirkusclown, dem das Publikum jeden Tag zujubelt. Doch Applaus macht
süchtig, er will immer mehr davon und sucht darum stets nach neuen Einfällen. Sie entwickeln sich oft spontan und aus irgendeiner zufälligen Situation. Denn alles ist bei Grock Intuition, entsteht aus dem Bauch heraus, ohne langes Grübeln.
Er improvisiert häufig, versucht etwas und verwirft es gleich wieder, wenn die Menge nicht darauf reagiert. Antonet schätzt
diese Änderungen überhaupt nicht, der wachsende Erfolg gibt jedoch seinem jüngeren Partner recht: Grock steht jetzt voll im Rampenlicht und hat seinen «Lehrmeister» fast verdrängt.