Dieser Artikel stammt aus akkordeon_magazin, Heft #23 vom Dezember/Januar 2011/2012
Heinz Hox
Vielseitiger Musical Director des Akkordeons
Text: Dr. Thomas Eickhoff; Fotos: Heinz Hox, Hohner
„Hans Dampf“ könnte er genauso gut heißen, der musikalische Allrounder Heinz Hox, denn er dampft umtriebig in allen musikalischen Gassen auf und ab, dabei nahezu alle Tasteninstrumente spielend. Berührungsängste kennt Hox eigentlich nicht. In der Vergangenheit begleitete er große Entertainer wie Caterina Valente oder Udo Jürgens, gerade ist er mit Marshall & Alexander auf Tournee und als Musical Director leitet er die Bochumer Aufführungen des Erfolgs-Musicals „Starlight Express“. Heinz Hox ist außergewöhnlich vielseitig – und mischt so über sein Lieblingsinstrument, dem Akkordeon, diversen musikalischen Genres, von Schlager, Volksmusik über Tango bis Jazz und Musical, eine reiche Palette an Farben bei. Als Studiomusiker bei zahlreichen prominenten Produktionen beteiligt – ob mit dem Kölner Rundfunkorchester oder der erfolgsverwöhnten Schlagerdiva Andrea Berg – versteht sich Hox zudem als Produzent, der ein eigenes Studio in seiner Heimatstadt Tönisvorst betreibt. Wie diese unterschiedlichen Welten des Heinz Hox unter einen Hut zu bringen sind, hat er dem akkordeon magazin launig und lässig, gespickt mit interessanten Anekdoten aus dem Musikbusiness, aber dennoch ganz unprätentiös, erzählt ...
Herr Hox, beginnen wir mit Ihren musikalischen Ursprüngen – aus welchem musikalischen Milieu stammen Sie in familiärer Hinsicht? Wo sind Ihre Wurzeln, wie kamen Sie zum Akkordeon?
Ich komme aus einem bürgerlichen Elternhaus, Eltern selbstständig, musikalisch wenig Bezüge. Meine Mutter war allerdings sehr musikalisch und spielte Klavier.
Mein Interesse für das Instrument oder überhaupt für Musik begann mit einem Jahrmarktbesuch, als ich im Alter von vier Jahren ein Mini-Akkordeon geschenkt bekam. Dann mit fünf Jahren ein etwas größeres mit acht Bässen, das ich heute noch besitze.
Danach war ich viele Jahre Mitglied im örtlichen Akkordeonorchester, in dem ich meine ersten Erfahrungen machte. Das Orchesterspiel war eine wichtige Erfahrung für mich ‒ musikalisch wie auch sozial.
Dann Akkordeonunterricht bei einem Musiklehrer. Mit ca. fünfzehn lernte ich meinen ersten „richtigen“ Lehrer kennen, Guido Wagner, damals freier Akkordeon- und Musikschullehrer mit großer Erfahrung und großem Können. Er hörte mich ‒ und das Erste, was er sagte, war: „Sie sind ja ganz begabt ‒ aber Sie spielen wie eine Wildsau!“ Das hat er mir dann, glaube ich, ziemlich abgewöhnt. Ich bin ihm heute noch dankbar für viele wertvolle Hinweise. Dann studierte ich Akkordeon in Duisburg, danach in Dortmund bei Guido Wagner.
Neben dem Akkordeon sind aber auch andere „Keys“, nämlich Klavier und Keyboard, Ihr Metier. Gibt es Präferenzen? Wo ordnen Sie in Ihrem Instrumenten-Spielfeld das Akkordeon ein?
Vor 40 Jahren war ja das Akkordeon ein ziemlich mächtiges Instrument ‒ 4-chörig, vielleicht noch mit Verstärker gespielt ... Es gab ja damals noch keine Keyboards. Dann kamen aber Orgeln, E-Pianos, Synties, String-Ensembles, Clavinett, Rhodes ... Ich habe alles Mögliche gespielt, „Tanzmusik“ gemacht, ambitionierte „Rockmusik“ in Bahnhofsbunkern, das volle Programm.
In dieser Zeit war das Akkordeon überhaupt nicht angesagt ‒ war so ein „Volksmusik-Instrument“, „Heimwehkompressor“. Ich habe also im Akkordeonorchester gespielt, Unterricht gehabt. Aber eigentlich war ich ja ein ganz hipper Keyboarder (lacht) und habe dann in immer professionelleren Bands gespielt, Tourneen, Galas etc.
Mittlerweile ist das Akkordeon für mich das persönlichste Instrument, auf dem ich mich sehr zu Hause fühle, mit dem ich mich am besten ausdrücken kann. Keyboards werden im Computerzeitalter doch sehr beliebig, sind stets verfügbar. Eine gewisse Entwertung hat da stattgefunden, wo sich doch heute jeder DJ Musiker nennen kann! Natürlich spiele ich noch immer Klavier und Keyboards, so bei Theaterproduktionen, im Studio oder z. B. auf der Marshall & Alexander-Tour im Herbst.
Welche Instrumente spielen Sie?
Ich hatte vor 40 Jahren eine Morino 4N, ein tolles und auch sehr kräftiges, leichtgängiges Instrument. Dann brauchte ich damals ein M3-Akkordeon und kaufte ein Instrument mit doppelter Registerreihe, auch sehr schön. Bis mir dann eine neue 5-chörige Gola angeboten wurde ‒ das war natürlich das Nonplusultra! Die spiele ich nun seit 30 Jahren. Sie ist mehrfach umgebaut und gestimmt worden. Jetzt hat sie ein flaches Tremolo, 8-Fuß im Cassotto und außerhalb des Cassottos spielbar sowie einen weiteren höheren 8-Fuß mit dem Jalousieschieber zuschaltbar. Mit dem Instrument habe ich die meisten Studiojobs gemacht, von Jazz bis „Viva Colonia“ von den Höhnern. Damit bin ich sehr flexibel.
Jetzt hat mir Hohner auf meinen Wunsch eine 4-chörige 96er gebaut, aber ohne 16-Fuß, stattdessen alle möglichen Varianten mit 8-Fuß und 4-Fuß, flaches bis breites Tremolo, sehr schönes Instrument mit Airbrush, sehr schön für die Bühne ... Es heißt Morino 96+, d. h. es kommen besonders hochwertige Stimmzungen zum Einsatz und es wiegt nur 10 kg, deshalb sehr gut im Stehen zu spielen ‒ was mit der großen Gola ein bisschen schwierig ist.
Als Studiomusiker mit Akkordeon sind Sie ein Allrounder, der keine Berührungsängste zwischen den Genres kennt, egal ob Klassik, Schlager oder Musical. Wo fühlen Sie sich mit dem Instrument besonders zu Hause, woran hängt Ihr akkordeonistisches Herz ganz persönlich?
Mein Akkordeonisten-Herz schlägt überall da höher, wo ich gute Musik machen kann, überall wo es musikalisch Sinn macht. Das kann Volksmusik sein, in der es natürlich einen festen Platz hat, aber ebenso Jazz, Tango oder Filmmusik, wo in besonderer Weise Emotionen transportiert werden.
Man verbindet doch mit einem bestimmten Klang auch Schicksale ganzer Nationen wie Frankreich, Russland, Argentinien ‒ in jedem Land wird das Akkordeon anders gespielt. Auf dem neuen Album von Marshall & Alexander geht es z. B. um italienische Schlager, auch da hat das Akkordeon seinen ganz bestimmten Platz und bringt genau die Stimmung und die Emotionen, die es braucht.
Es ist einfach auch ein schönes Gefühl, mit diesem Instrument Töne zu gestalten. Es muss nicht immer „höher, schneller, weiter“ sein; gerade wenig Töne mit so vielen Parametern zu gestalten, wie es mit dem Akkordeon möglich ist, macht wirklich Spaß. Leider haben das nicht alle Akkordeonspieler mal erfahren. Das Instrument kann erheblich mehr als nur Tasten drücken, laut und leise spielen, den Balg wieder aufziehen und zudrücken, damit wieder etwas zu hören ist.
Wer sind Ihre Vorbilder auf dem Akkordeon?
Ich bin ja aufgewachsen mit Namen wie Albert Vossen, Will Glahé, Rudolf Würthner; die einen beheimatet in Schlager und U-Musik, Leute wie Würthner in der damals „seriösen“ Akkordeonmusik. In Köln gab es Willi Gräff, der so gut wie alle Einspielungen beim WDR gemacht hat; ich habe ihn als Kind schon oft gehört, ohne ihn zu kennen. Später kam dann Art van Damme hinzu, eigentlich bis heute in Sachen Swing ein großes Vorbild.
Frank Marocco spielt heute noch, er hat, glaube ich, den größten Teil der Akkordeon-Parts der Hollywood-Filmmusik eingespielt und spielt auch fantastisch Jazz. Spätestens seit Richard Galliano ist aber klar, wo das Akkordeon im Jazz und Tango, aber auch ohne Etikett steht. Galliano ist tatsächlich ein großes Vorbild, er spielt mit einer großen Leichtigkeit, komponiert fantastisch und erfindet sich immer wieder neu.
Sie haben mit zahlreichen Topstars des Showbusiness zusammengearbeitet – arbeiten wir uns mal an einigen Namen ab und erzählen Sie uns etwas über einige markante Begegnungen mit ganz verschiedenen Künstlern ... Beginnen wir mit Caterina Valente!
Caterina Valente war und ist eine der ganz großen Künstlerinnen unserer Zeit. Ich hatte das Glück, mit ihr einige Konzerte, Aufnahmen beim SFB sowie eine Tournee zu machen. Das war mit einer Band namens „5 & 6“, also fünf Leute Rhythmusgruppe, fünf Bläser und eine Sängerin. Damals eine tolle Band, die auf dem Niveau von Pepe Lienhard und anderen vergleichbaren Bands spielte. Valente war unglaublich musikalisch und eine äußerst nette Person. Sie sagte einmal zu mir, ich möge doch ihre Melodie nicht wörtlich mitspielen! Da hatte sie vollkommen Recht, und ich habe mir das auch sehr zu Herzen genommen, denn so etwas nimmt dem Solisten einfach Raum für Interpretation! Es geht auch die Geschichte um, dass Manfred Krug bei der Produktion seiner ersten LP im Westen für seinen langsamen Bossa „Ade“ keinen Gitarristen fand, der das so spielen konnte. Im Nachbarstudio nahm Valente auf und wurde gefragt, ob sie das mal versuchen könnte, denn sie ist ja auch eine hervorragende Gitarristin. Sie machte es in nur einem Take ‒ und das war’s!
Sie waren und sind jetzt wieder Musical Director beim „Starlight Express“ in Bochum, wo Sie nun nach 21 Jahren wieder dirigieren. Wie fühlt sich das an?
Ja, das war für mich auch eine Überraschung. Es hat sich vieles verändert, das Orchester ist von 22 auf neun Musiker verkleinert worden, der Rest kommt vom „Radar“, einem Mehrspurzuspieler, der vom Dirigenten bedient wird, d. h. bis auf die freien Zwischenspiele ist alles „geklickt“. Alle Musiker hören wie im Studio den „Klick“ und sind somit zur Maschine synchronisiert ‒ das ist ok.
Aber Gott sei Dank gibt es diese freien Momente, da kann und muss man ein wenig gestalten. Es macht wieder großen Spaß und ist eine technische Herausforderung für den Dirigenten. Starlight ist noch immer eine sehr energetische Show, die immer noch mit Standing Ovations gefeiert wird ‒ zu Recht, wie ich finde.
Wie erlebten Sie Udo Jürgens ‒ selbst auch ein Akkordeonspieler ‒ samt der Pepe Lienhard Band?
Udo ist für mich ein Phänomen ‒ ob er ein guter Akkordeonist ist, weiß ich nicht. Aber heute mit 77 Jahren ist er immer noch ganz vorne dabei: allein der große Zweiteiler im Fernsehen „Der Mann mit dem Fagott“, seine vollen Säle. Ich habe eine Tour mit ihm gespielt. Damals war das Ganze noch nicht so ausgefeilt wie heute, er hatte noch andere Arrangeure und Musiker. Heute ist alles auch sehr modern geschrieben und performed, die Band sehr verjüngt. Ich hoffe, er macht noch lange so weiter.
Wie war „Hox meets Heino“? Welche Erinnerungen haben Sie als ehemaliger Leiter des „Heino-Orchesters“ an den allseits bekannten Schlager- und Volksmusikbarden?
Ich habe bis auf das Ende unserer Zusammenarbeit nur gute Erinnerungen. Heino ist tatsächlich ein „Düsseldorfer Jung“, d. h. er ist trotz seiner Bekanntheit ein ganz „normaler“ Mensch geblieben. In meiner Zeit als Bandleader lief alles ganz entspannt, wir hatten eine tolle Band aus meist Kölner Studiomusikern, Heino hat vorne seine Melodien gesungen, eigentlich wie immer. Hinten haben wir dann den Stücken einen neuen „Drive“ verpasst, das ging ziemlich gut los. Wir haben zwei Tourneen im Jahr gemacht, waren in Kapstadt oder Hawaii, auch als Begleitband vieler anderer Stars aus der Volksmusikszene, dünne, ganz dicke ‒ wir hatten viel Spaß!
Und Ihre akkordeonistische Begleitung von Tony Marshall ‒ als Elvis-Sänger?
Mit Tony war es so, dass Sohn Marc ihm eine CD produzierte, wo er endlich mal Titel bekam, die er immer schon mal singen wollte. So auch „Love me tender“. „Wollen wir das mal mit Akkordeon probieren?“... Ich setzte mich ans Mikrofon, Tony ging in seine Box ‒ und ohne Absprache haben wir dann einfach losgelegt. First Take, das warʼs! So etwas ist heute eher selten, ich war auch ganz überrascht, aber Tony hat’s halt drauf.
Welche Pläne haben Sie mit Akkordeon? Wo liegen für Sie besondere Perspektiven mit dem Instrument?
Zunächst schreibe ich meine Technik-Schule zu Ende ‒ mit einem bisschen Glück erscheint sie zur nächsten Musikmesse. Das wird ein Heft mit Basics, die jeder „draufhaben“ sollte. Ganz einfache Dinge (die manchmal die schwierigsten sind) bis zu schnellen Übungen, für Anfänger bis Fortgeschrittene. Dazu gibt es Videos und Playbacks zum Mitspielen. Im Augenblick nehme ich in meinem Studio die CD zum neuen Balkanheft von Martina Schumeckers auf, das zur Musikmesse 2012 erscheint. Am 28. November startet die Tour mit Marshall & Alexander und der Morino 96+.
Dann möchte ich endlich mal eine wirklich eigene CD machen, hoffe, dass ich doch bald die Zeit und Ruhe finde, etwas zu schreiben und aufzunehmen. Auch werde ich viel live spielen, verschiedene Besetzungen, natürlich auch mit „Tango del Sur“, meiner liebsten Tangoband.
Bei allen Konzerten, die ich so mache, stelle ich immer wieder fest, dass die Menschen fasziniert sind, wie so ein „Schifferklavier“ auch klingen kann. Viele haben so etwas noch nie gehört und ich sage dann schon mal: Das Instrument kann nichts dafür!
▷ Hier ist ein YouTube-Video mit Heinz Hox
▷ Hier findest du die Digitalausgabe des Heftes